Der verborgene Stern
machen. Zwei Spalten: In der einen listete er die realen Details aus ihren Träumen auf, in der anderen versuchte er, die dahinterliegende Bedeutung auszumachen. Je länger er arbeitete, desto überzeugter war er, dass es sich um eine Kombination aus beidem handeln musste.
Schließlich tätigte er seinen letzten Anruf – bereit, zu Kreuze zu kriechen. Seine Schwester Muffy hatte in eines der ältesten und angesehensten Familienunternehmen der Ostküste eingeheiratet: Westlake Jeweler’s .
Als Cade endlich wieder ins Vorzimmer trat, klingelten seine Ohren noch immer, seine Nerven flatterten. So reagierte er meist auf die Gespräche mit seiner Schwester. Zumindest hatte er herausgefunden, was er wissen wollte. Die Überraschung, ein sauberes, ordentliches Zimmer vorzufinden und zu sehen, wie Bailey in rasendem Tempo auf die Tastatur eintippte, hob seine Stimmung sofort.
„Du bist göttlich!“ Er schnappte ihre Hand und verteilte kleine Küsse darauf. „Das ist ein Wunder.“
„Oh, mit einem Wunder hat das nichts zu tun, Cade. Hier war es einfach nur schmutzig. Ekelhaft.“
„Ja, du hast recht.“
Sie hob eine Augenbraue. „In den Aktenschränken hat Essen vor sich hingegammelt.“
„Ekelhaft, du sagst es. Aber weißt du was? Du kannst offenbar mit Computern umgehen. Das ist doch schon mal was.“
Sie runzelte die Stirn. „Ist wie beim Kaffeekochen heute Morgen. Ich hab gar nicht darüber nachdenken müssen.“
„Wenn du weißt, wie das Ding zu bedienen ist, dann weißt du sicher auch, wie man es ausstellt. Lass uns in die Stadt gehen. Ich kaufe dir ein Eis.“
„Aber ich hab doch gerade erst angefangen!“
„Das kann warten.“ Er streckte eine Hand aus, um den Computer auszuschalten, doch sie schubste ihn fort.
„Nein, ich habe noch nicht abgespeichert.“ Leise murrend widmete sie sich erneut der Tastatur mit einer solchen Anmut, dass sein Herz vor Bewunderung anschwoll. „Ich brauche sicher noch einige Stunden, um hier Ordnung reinzubringen.“
„Wir kommen zurück. Wir werden uns eine Weile die Beine vertreten, und dann beginnt die richtige Arbeit.“
„Was für richtige Arbeit?“ Sie erhob sich.
„Ich habe dir Zugriff auf einen Refraktometer verschafft.“ Er zog sie aus der Tür. „Was für ein Eis hättest du gern?“
5. KAPITEL
D einem Schwager gehört Westlake Jeweler’s ?“
„Nicht ihm allein. Ist so ein Familiending.“
„Ein Familiending. Aha.“ Bailey fühlte sich ein wenig schwindlig. Irgendwie waren sie von seinem Büro, wo sie eben noch verschimmelte Sandwichs aus den Schränken gezogen hatte, auf die Treppenstufen vor dem Lincoln Memorial gelangt. Die Art und Weise, wie Cade sich durch den Verkehr geschlängelt hatte, wie er durch den ein oder anderen Kreisverkehr gejagt war und dunkelorange Ampeln überfahren hatte, war ein bisschen zu viel für sie gewesen.
„Genau. Ein Familiending.“ Er attackierte seine zwei Kugeln Pistazieneis mit einem kleinen Plastiklöffel. Nachdem Bailey keine Geschmacksvorliebe geäußert hatte, hatte er ihr Erdbeereis bestellt, was Mädchen seiner Ansicht nach immer mochten. „Sie haben überall im Land Niederlassungen, aber der Hauptsitz ist hier in Washington. Muffy hat Ronald bei einem Benefiz-Tennisturnier kennengelernt. Sehr romantisch.“
„Verstehe.“ Sie versuchte es zumindest. „Und er ist damit einverstanden, dass wir seine Geräte benutzen?“
„Muffy ist einverstanden. Und Ronald ist mit allem einverstanden, was Muffy will.“
Bailey schleckte an ihrem tropfenden Eis und beobachtete die Touristen, wie sie die Stufen hinauf- und hinabkletterten. „Ich dachte, deine Schwester ist böse auf dich?“
„Das habe ich ihr ausgeredet. Oder, besser gesagt: Ich habe sie bestochen. Camilla spielt nämlich nicht nur Klavier, sie geht auch zum Ballettunterricht. Und nächsten Monat gibt es eine Aufführung. Also werde ich mir ansehen, wie Camilla in einem Tutu über die Bühne hopst, was meiner Meinung nach kein schöner Anblick sein wird.“
Bailey unterdrückte ein Kichern. „Du bist gemein.“
„Hey, ich habe Camilla bereits in einem Tutu gesehen! Glaub mir, ich untertreibe noch.“ Er sah sie so gerne lächeln. „Und dann ist da noch Chip. Muffys zweiter Mutant. Er spielt Piccoloflöte.“
„Das denkst du dir doch nur wieder aus.“
„Ich könnte mir so was gar nicht ausdenken, meine Fantasie ist recht beschränkt. In ein paar Wochen muss ich mir anhören, wie Chip sein erstes Konzert gibt.“ Er
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