Der verborgene Stern
bist. Ich schätze, ich bin nicht besonders gut im Streiten.“
Er rieb sich den Ellbogen, der bei dem Sturz etwas lädiert wurde. „Meiner Ansicht nach kannst du recht gut streiten. Ich werde jetzt duschen, und danach machen wir einen kleinen Sonntagsausflug. Einverstanden?“
Es gab so unendlich viele Gebäude. Alte, neue, heruntergekommene und renovierte Häuser. Riesige Büroblocks und dekorierte Schaufenster. Bailey betrachtete die Bäume, die von den Gehsteigen in den Himmel wuchsen, und lauschte den quietschenden Bremsen der Busse.
War es im Juli immer so schwül? Hatte der Sommerhimmel immer den Ton von blauer Wasserfarbe? Und blühten die Blumen in den Kübeln immer so üppig? War sie in einem der Läden schon einmal einkaufen gewesen, hatte sie in einem der Restaurants gegessen?
„Es kommt mir so vor, als würde ich das alles zum ersten Mal sehen“, murmelte sie. „Tut mir leid.“
„Kein Problem. Entweder macht es irgendwann Klick, oder eben nicht.“
Sie fuhren an anmutigen alten Granithäusern vorbei, dann tauchte wieder eine Einkaufsstraße auf, diesmal mit hübschen modischen Boutiquen. Sie gab ein leises Geräusch von sich, und Cade bremste. „Hat es geklickt?“
„Diese Boutique. Marguerite’s . Ich weiß nicht genau.“
„Werfen wir einen Blick rein.“ Er legte den Rückwärtsgang ein und parkte. „Zwar haben die Läden heute geschlossen, aber wir können zumindest einen Schaufensterbummel machen.“ Er beugte sich über sie hinweg, um ihr die Tür zu öffnen, dann stieg er aus.
„Vielleicht hat mir nur das Kleid im Schaufenster gefallen“, sagte sie leise.
Das Kleid war wunderhübsch, rosa Seide, besetzt mit feinen Strasssteinchen. Dazu ein winziges silbernes Abendtäschchen und unglaublich hohe Schuhe, ebenfalls in Silber. Als Cade sah, wie sie zu lächeln begann, fand er es schade, dass der Laden nicht geöffnet hatte und er ihr das Kleid kaufen konnte. „Ist genau dein Stil.“
„Ich weiß nicht.“ Sie legte die Hände ans Schaufenster und spähte hinein. „Da ist auch ein wunderschöner Hosenanzug aus dunkelblauem Leinen. Oh, und das rote Kleid ist einfach fantastisch. Darin fühlt man sich bestimmt sehr stark und elegant. Ich sollte wirklich anfangen, gewagtere Farben zu tragen, aber dann traue ich mich doch wieder nicht und bleibe lieber bei Pastell.“
Versuch mal dieses Grün, Bailey. Das hat was. Es gibt nichts Langweiligeres auf der Welt als langweilige Klamotten.
Wie lange muss ich hier noch rumstehen und euch zusehen, wie ihr Barbiepuppe spielt?
Ach, hör auf zu nörgeln! Du bist doch nur zufrieden, wenn alles nach deiner Pfeife tanzt. Bailey, nicht dieses fade Beige! Nimm das Grüne. Vertrau mir!
„Sie hat mich überredet“, murmelte Bailey. „Ich habe das grüne Kostüm gekauft. Und sie hatte recht. Sie hat immer recht.“
„Wer hat immer recht, Bailey?“ Er berührte sie nicht, aus Furcht, sie abzulenken. „M.J.?“
„Nein, nicht M.J. Sie ist ungeduldig, sie hasst es, Zeit zu verschwenden. Und Einkaufen ist für sie reine Zeitverschwendung.“
Ihr Kopf schmerzte. Er würde jede Sekunde explodieren, einfach platzen. Aber der Drang, sich an diesem einen Detail festzuklammern, war stärker. Ihr drehte sich der Magen um, sie glaubte, sich übergeben zu müssen. Schweiß brach ihr aus allen Poren.
„Grace.“ Sie stieß den Namen aus. „Grace“, sagte sie noch einmal, während ihre Knie weich wurden. „Ihr Name ist Grace. Grace und M.J.“ Tränen füllten ihre Augen, rollten über ihre Wangen. „Ich war hier. Ich war in diesem Laden. Ich habe ein grünes Kostüm gekauft. Ich erinnere mich.“
„Gut. Sehr gut gemacht, Bailey.“ Er zog sie in seine Arme und hielt sie fest.
„Aber mehr kommt nicht.“ Sie presste eine Hand gegen ihre Stirn. Der Schmerz schien zu brüllen. „An mehr kann ich mich einfach nicht erinnern. Es ist so albern. Warum erinnere ich mich ausgerechnet daran, ein Kostüm gekauft zu haben?“
„Du erinnerst dich an Menschen.“ Er strich ihr mit den Daumen über die Schläfen und glaubte, den Schmerz fast zu spüren, der in ihrem Kopf tobte. „Sie sind dir wichtig. Du erinnerst dich an einen Moment, den ihr miteinander geteilt habt. Einen glücklichen Moment.“
„Aber ich kann mich nicht an sie erinnern! Nicht wirklich. Ich fühle nur etwas.“
„Wir stehen kurz vor dem Durchbruch.“ Er presste die Lippen an ihre Stirn, dann zog er sie zurück zum Auto. Dort drückte er sie in den Beifahrersitz und schnallte
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