Der verborgene Stern
mich umbringen, Cade.“
„Niemand wird dir etwas tun. Ich bin bei dir.“
„Er wird mich umbringen. Er hat ein Messer. Wenn er mich findet, wird er mich töten.“
Er wollte sie festhalten, sie in seinen Armen wiegen, die Angst zum Verschwinden bringen. Aber sie vertraute darauf, dass er ihr half. Also löste er sanft ihre Finger aus seinem Hemd und hielt ihre Hände fest. „Wer hat ein Messer, Bailey? Wer wird dich umbringen?“
„Er … er …“ Sie konnte es sehen, ganz klar sehen, wie die Hand immer wieder nach unten schoss, wie das Messer aufblitzte. „Überall ist Blut. Überall. Ich muss weg. Das Gewitter! Ich muss mich beeilen.“
„Wo bist du? Sag mir, wo du bist.“
„Es ist dunkel. Alle Lichter sind aus. Er will mich töten. Ich muss weglaufen.“
„Wohin?“
„Egal wohin.“ Ihr Atem ging viel zu schnell. „Irgendwohin. Nur weg. Wenn er mich findet …“
„Er wird dich nicht finden, Liebling. Das lasse ich nicht zu.“ Er nahm ihr Gesicht in beide Hände, damit sie ihn ansah. „Und jetzt beruhige dich. Beruhige dich.“ Wenn sie weiter so nach Luft schnappte, würde sie noch hyperventilieren und erneut in Ohnmacht fallen. „Du bist sicher hier. Du bist sicher bei mir. Hast du das verstanden?“
„Ja.“ Sie zwang sich, langsamer zu atmen. „Ja.“
Von wegen, dachte er. Sie war weiß wie eine Wand, sie zitterte, und auf ihrer Stirn standen Schweißperlen. Aber die Erinnerung war zum Greifen nah, sie mussten versuchen, sie festzuhalten. „Niemand wird dir etwas tun. Kein Mensch wird dich auch nur anfassen. Vergiss das nicht. Und jetzt erzähl mir alles, was du siehst.“
„Es kommt in kleinen Bruchstücken. Als du dieses Messer genommen hast …“ Panik schnürte ihr erneut die Kehle zu.
„Ich habe dir Angst gemacht, entschuldige. Ich würde dir niemals wehtun.“
„Ich weiß.“ Sie schloss die Augen wieder. „Da war ein Messer. Eine lange Klinge, gebogen. Ein schönes Messer. Der Griff ist aus Knochen und handgeschnitzt. Ich habe es schon einmal gesehen … vielleicht habe ich es sogar benutzt.“
„Wo hast du es gesehen?“
„Ich weiß es nicht. Da waren Stimmen. Geschrei. Ich kann nicht hören, was sie sagen. Es ist wie am Meer, laut, stürmisch, überall heftiger Lärm.“ Sie presste die Hände an ihre Ohren, als könne sie so die Geräusche ausschalten. „Und dann ist da Blut, überall. Überall auf dem Boden.“
„Was für ein Boden?“
„Teppich, grauer Teppich. Das Gewitter, das Messer blitzt auf, immer wieder.“
„Gibt es ein Fenster? Siehst du das Gewitter durchs Fenster?“
„Ja, ich glaube schon …“ Sie erschauerte. „Es ist dunkel. Jetzt ist es überall dunkel, ich muss verschwinden. Muss mich verstecken.“
„Wo versteckst du dich?“
„Ein kleines Versteck, kein richtiges Zimmer, wenn er mich findet, sitze ich in der Falle. Er hat das Messer. Ich kann es sehen, kann seine Hand am Griff sehen. Sie ist so nah, wenn er sich umdreht …“
„Erzähl mir etwas über die Hand“, unterbrach Cade sie sanft. „Wie sieht die Hand aus, Bailey?“
„Es ist so dunkel, aber ein Lichtstrahl fällt herein, fällt beinahe auf mich. Eine Taschenlampe. Er hält das Messer, seine Fingerknöchel sind weiß. Auf ihnen ist Blut. Auf seinem Ring.“
„Was für ein Ring, Bailey?“ Er sah sie durchdringend an, doch seine Stimme blieb leise und sanft. „Wie sieht der Ring aus?“
„Schweres Gold. Dick. Gelbgold. Der Stein in der Mitte ist ein Cabochon-Rubin. Eingefasst von kleinen Diamanten. Initialen. T und S. Geschwungen. Die Diamanten sind rot von Blut. Er ist so nah, so nah, ich kann das Blut riechen. Wenn er nach unten schaut … wenn er nach unten schaut und mich sieht … er wird mich umbringen, in Stücke schneiden, wenn er mich findet.“
„Er findet dich nicht.“ Cade zog sie an sich. „Du bist ihm entkommen. Wie, Bailey?“
„Ich weiß es nicht.“ Die Erleichterung war unermesslich – die Nähe seines warmen Körpers, seine Arme um sie, seine Wange an ihrem Haar, sie hätte weinen mögen. „Ich kann mich nicht erinnern.“
„Ist schon gut. Das reicht.“
„Vielleicht habe ich ihn getötet.“ Sie schob Cade von sich, sah ihn an. „Vielleicht habe ich ihn mit der Pistole aus meiner Tasche erschossen.“
„Das Magazin war voll, Bailey.“
„Ich kann es nachgeladen haben.“
„Sweetheart, meiner Meinung nach wüsstest du gar nicht, wie.“
„Aber wenn ich …“
„Und wenn du es getan hast …“, er ergriff sie
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