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Der verbotene Fluss

Der verbotene Fluss

Titel: Der verbotene Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
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versorgt.«
    »Gut.« Sir Andrew rieb sich die Hände, die heftige Empörung war aus seinen Zügen gewichen. »In einer dicht bewaldeten Gegend wie dieser treiben sich leider Strauchdiebe und Wilderer herum, die auch vor Einbrüchen und Gewalt nicht zurückschrecken. Dies ist bedauerlich, und ich werde den Wildhüter von Norbury Park verständigen, damit er besondere Aufmerksamkeit walten lässt und mit einigen Männern den Wald durchkämmt. Vielleicht lassen sich Spuren des Übeltäters finden.«
    Charlotte bemerkte einen seltsamen Ausdruck in Mr. Ashdowns Gesicht, der ebenso rasch wieder verschwand.
    »Sie meinen also, es sei ein Fremder gewesen, der zufällig durch den Wald streunte und sich von mir bedroht fühlte?«
    »Wer denn sonst?«, fragte Sir Andrew verwundert.
    »Mir kam es vor, als hätte derjenige am Tor zu Ihrem Garten gestanden – deshalb bin ich ja hinausgelaufen.«
    Sir Andrew erhob sich mit einem Ruck aus dem Sessel. »Wollen Sie damit andeuten, die Person, die Sie angegriffen und verletzt hat, hätte mit meiner Tochter gesprochen?«
    »So kam es mir vor«, erwiderte Mr. Ashdown mit angestrengter, aber fester Stimme.
    Charlotte biss sich auf die Lippen. Die Spannung zwischen den Männern war greifbar.
    »Das ist nicht Ihr Ernst. Ich habe Sie kommen lassen, damit Sie untersuchen, ob meine Tochter von übernatürlichen – Phänomenen, oder wie immer Sie es nennen möchten, heimgesucht wird. Stattdessen stellen Sie solche absurden Behauptungen auf und begeben sich in Gefahr, indem Sie nachts allein in den Wald laufen, ohne angemessene Vorkehrungen …«
    »Sir Andrew.« Mr. Ashdown richtete sich mühsam auf dem Sofa auf und schloss für einen Moment die Augen, bevor er sich am Tisch abstützte und schwankend aufstand. Charlotte musste sich beherrschen, um nicht einzugreifen.
    »Ich werde mich jetzt zu Bett begeben. Wenn ich mich dazu in der Lage fühlte, würde ich Sie schon jetzt von meiner Gegenwart befreien, aber das wird leider bis zum Morgen warten müssen.«
    »Was soll das heißen?«
    »Ich glaube, das wissen Sie sehr gut. Ich bin kein Dienstbote, der von Ihnen bezahlt wird, damit Sie ihn herumkommandieren können. Ich bin aus freien Stücken gekommen und werde ebenso freiwillig abreisen, wenn meine Hilfe nicht mehr gewünscht wird.«
    Charlotte sah, dass die Knöchel seiner Hand, mit der er die Tischkante umklammerte, weiß wurden.
    »Eins möchte ich noch hinzufügen. Ich bin mir sicher, dass Ihre Tochter leidet, worunter, kann ich noch nicht sagen. Aber eins versichere ich Ihnen: Von selbst wird sich dieses Rätsel nicht lösen.«
    Dann schaute er Charlotte fragend an. »Fräulein Pauly, ich stehe schon jetzt in Ihrer Schuld. Wären Sie trotzdem noch so freundlich, mich bis zu meiner Zimmertür zu begleiten? Gute Nacht, Sir Andrew.«
    Er stützte sich auf sie, und so verließen sie das Zimmer, ohne Sir Andrew noch einmal anzusehen. Mit jedem Schritt wurde die Last auf ihrer Schulter schwerer, doch sie ließ sich nichts anmerken.
    Die Treppen kosteten ihn viel Kraft, und als sie vor seiner Zimmertür standen, lehnte er sich an die Wand und schloss kurz die Augen. Dann schaute er Charlotte eindringlich an.
    »Was ist?«, fragte sie atemlos.
    »Es gibt etwas, das ich vorhin nicht erwähnt habe.«
    Sie wartete schweigend.
    »Ich glaube, der Angreifer war eine Frau.«
    Charlotte ging erschöpft in den Turm hinauf. Als sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, ließ sie sich kraftlos aufs Bett sinken. Erst jetzt bemerkte sie das Blut an ihren Händen, fühlte sich aber nicht in der Lage, aufzustehen und sich in der Schüssel zu waschen.
    Sie hatte jegliches Zeitgefühl verloren, seit Mr. Ashdown sie geweckt hatte. War eine halbe Stunde vergangen? Nein, es musste mehr sein. Sie setzte sich in den Sessel am Fenster. Draußen war es noch dunkel und still, nichts regte sich in den Bäumen, deren Umrisse sich vage vor dem Himmel abzeichneten.
    Ihr Kopf schmerzte, sie konnte nicht mehr klar denken. Vorhin war sie ruhig und rational geblieben, hatte Mrs. Evans Anweisungen erteilt und sich von Sir Andrew nicht einschüchtern lassen. Nun, da sie sich nicht mehr beherrschen musste, überkam sie ein Zittern, und bald bebte ihr ganzer Körper. Sie presste die Hände vor den Mund und schloss die Augen, doch das Zittern wollte nicht aufhören. Was ging nur vor in diesem Haus? Am liebsten hätte sie ihre Sachen gepackt und Sir Andrew noch vor dem Frühstück die Kündigung übergeben, doch was sollte dann

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