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Der verbotene Fluss

Der verbotene Fluss

Titel: Der verbotene Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
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daneben stand der Waschtisch mit einem Krug, einer blitzsauberen Porzellanschüssel und einem Handtuchhalter. Es gab auch einen kleinen Sekretär, auf dem ein Tintenfass bereitstand und ein Stapel Schreibpapier angeordnet war.
    Ihre beiden dunkelbraunen Koffer wirkten wie Fremdkörper in dem freundlichen, hellen Zimmer.
    »Das ist ein schöner Raum, Mrs. Evans. Hier werde ich mich sicher wohlfühlen.«
    Noch immer blieb die Miene der Haushälterin unbewegt. »Von hier aus sind Sie rasch im Schulzimmer und bei Miss Emily.«
    »Gewiss.«
    Sie schaute sich noch einmal um. »Das Zimmer sieht … so bewohnt aus. Als hätte jemand es mit viel Liebe eingerichtet.«
    »Dies war das Jungmädchenzimmer von Lady Ellen Clayworth. Sie ist hier aufgewachsen – es war ihr Elternhaus.«
    Charlotte wartete ab, ob sie noch mehr über die verstorbene Hausherrin erfahren würde, doch Mrs. Evans sagte nur: »Ich lasse Sie jetzt allein. Sie können in Ruhe auspacken und werden später gerufen.«
    Charlotte blieb reglos stehen, bis sich die Tür geschlossen hatte und die Schritte auf der Treppe verklungen waren. Dann drehte sie sich einmal um sich selbst, um ihr neues Zuhause abermals in Augenschein zu nehmen. Es war ein wirklich reizendes Zimmer. Dennoch erschien es ihr sonderbar, dass man es einer Fremden gegeben hatte, wo doch der Hausherr traurige Erinnerungen damit verband. Oder hatte er es gerade deshalb getan – um die Geister zu vertreiben?
    Sie schüttelte den Kopf. War es das Erlebnis vom Vorabend, das sie auf diese törichten Gedanken brachte?
    Dann trat sie an ein Fenster und schaute hinaus. Von hier aus sah sie die Straße, über die sie vorhin angekommen war; die anderen Fenster blickten auf den großen Garten und den Wald dahinter.
    Entschlossen wandte sich Charlotte vom Fenster ab und machte sich daran, die Koffer auszupacken und sich ein wenig einzurichten.
    Bald hatte sie alles in den Schrank und die Kommode geräumt, die Schulbücher, die sie mitgebracht hatte, in ein Regal gestellt, und eine Fotografie ihrer Eltern und Schwestern auf den Nachttisch. Nun setzte sie sich aufs Bett und wartete. Im Haus war kein Laut zu hören. Irgendwann vernahm sie, wie Räder auf dem Kies der Einfahrt knirschten, und schaute hinaus. Sie konnte nicht sehen, wer ausstieg; vielleicht war Miss Emily von ihrem Besuch beim Pfarrer zurückgekehrt.
    Charlotte versuchte zu lesen, doch die Stille schlug ihr aufs Gemüt, und sie ergriff ihr Tagebuch, das sie nicht regelmäßig führte, dem sie aber bisweilen ihre Gedanken anvertraute. Sie setzte sich an den Sekretär und tauchte die Feder ins Tintenglas.
    Heute bin ich in Chalk Hill angekommen. Noch kann ich wenig über die Familie sagen, in der ich von nun an leben werde; der Kutscher ist gesprächig, die Haushälterin kühl und streng, das Hausmädchen freundlich und scheint sich vor ihr zu fürchten.
    Das Haus ist geschmackvoll eingerichtet und die Umgebung grün und ansprechend, doch spüre ich, seit ich es betreten habe, eine sonderbare Stille. Natürlich ist Lady Clayworth verstorben, aber ich kann nicht mit Sicherheit sagen, ob es Trauer ist, die wie ein Mantel über diesen Räumen liegt. Vielleicht sind es auch Hirngespinste, die mich umtreiben, weil ich allein hier in diesem Turmzimmer sitze wie eine verzauberte Prinzessin.
    Ach ja, die Märchen. Ich habe Grimms Sammlung mitgebracht, weil ich so daran hänge, auch wenn sie in meiner letzten Stellung nicht erwünscht waren. Wenn meine Schülerin die deutsche Sprache erlernen soll, kann ich sie ihr damit vielleicht näherbringen als nur mit trockenen grammatischen Übungen und Diktaten. Ich werde mit kurzen, einfachen Märchen wie dem vom süßen Brei beginnen und später zu den schwierigeren und furchteinflößenderen Geschichten übergehen.
    Nun, da ich meine Gedanken zu Papier bringe, hebt sich meine Stimmung, und ich sehe der Begegnung mit der Familie zuversichtlich entgegen.
    Sie legte gerade die Feder nieder, als draußen Schritte ertönten. Es klopfte.
    »Ja, bitte?«
    Susan öffnete die Tür. »Wenn Sie jetzt nach unten kommen möchten, Miss Pauly. Miss Emily ist bereit.«
    »Danke, ich komme gleich.«
    Charlotte trat noch einmal kurz vor den Spiegel und strich ihre Haare glatt. Dann schloss sie die Tür hinter sich und folgte Susan die Treppe hinunter. Sie führte sie zu dem Zimmer im ersten Stock, das Mrs. Evans als Schulzimmer bezeichnet hatte.
    Mit klopfendem Herzen trat Charlotte ein. Es war etwas Besonderes, eine neue

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