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Der verbotene Fluss

Der verbotene Fluss

Titel: Der verbotene Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
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erzählen und dass sie sich ihr Mädchen holen will. Ich habe sie nicht verstanden, wie sollte ich auch? Ich dachte, Granny hätte einfach einen schlechten Tag. Und dann stand sie auf einmal im Zimmer, Lady Ellen, meine ich. Mir ist fast das Herz stehen geblieben.
    Sie hob die Hand und sagte: »Nur keine Angst, Nora. Ich bin kein Gespenst. Du kannst mir vertrauen.«
    »Ja, Euer Ladyschaft«, habe ich gesagt. »Aber wie haben Sie das gemacht?«
    Sie erzählte mir, wie sie den Schal am Ufer gelassen hatte und durch den Fluss heimlich zur Brücke geschwommen war und wie sie sich in Grannys Häuschen geschlichen und dort versteckt hatte. Dass sie vorher einen Abschiedsbrief geschrieben und unter Sir Andrews Tür hindurchgeschoben hatte. Darin habe sie erklärt, wie sehr sie ihn und ihre Tochter geliebt hätte und dass sie so nicht weiterleben könnte.
    Ich war völlig aufgelöst, als ich nach Chalk Hill zurückkam, aber zum Glück hat es keiner gemerkt. Danach wartete ich jeden Abend ängstlich, dass etwas passierte. Sie hatte von einem Plan gesprochen und dass sie meine Hilfe braucht. Eines Tages bekam ich einen Brief mit der Post. Mrs. Evans hat mich danach komisch angesehen, weil ich nie Post bekomme, aber ich habe gesagt, er wäre von meiner Cousine. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass der Brief sie nichts anging.
    So war es auch. Er kam nämlich von Lady Ellen. Sie hat geschrieben, dass sie von früher noch einen Schlüssel zum Keller hat und nachts kommen wird, um Emily zu sehen. Mir war nicht wohl dabei, aber sie tat mir leid, nach allem, was Sir Andrew ihr angedroht hatte.
    Und sie kam wirklich. Es hat angefangen, kurz bevor die neue Gouvernante ins Haus kam. Ihre Ladyschaft war erschrocken, als sie davon hörte, weil sie fürchtete, die Frau könnte etwas merken. Und so war es ja auch. Miss Pauly ist schlau, sie wurde ziemlich bald misstrauisch. Also hat Ihre Ladyschaft schweren Herzens beschlossen, Emily nicht zu verraten, dass sie nie in den Mole gestürzt ist und bei meiner Granny wohnt. Die Kleine hat ihre Mutter für einen Geist gehalten, da bin ich mir sicher. Es tat mir weh, aber so konnte Lady Ellen sie wenigstens besuchen.
    Ob sie verrückt war? So wie meine Granny, meinen Sie? Zuerst nicht, sonst hätte sie sich nicht diesen Plan ausdenken können. Aber ich glaube, das Ganze wurde irgendwann zu viel für sie, wenn Sie verstehen, was ich meine. Sich verstecken, immer Angst haben, wie ein Geist im Dunkeln umgehen, mit niemandem sprechen können, das war schwer für sie. Als wäre sie unsichtbar. Dann kam noch dieser Mr. Ashdown ins Haus. Ich habe sie vor ihm gewarnt. Er war neugierig und hatte einen scharfen Blick. Sie wagte kaum noch, nachts zu kommen. Einmal ist er ihr in den Wald nachgelaufen, da hat sie ihn angegriffen. Mit einem Messer. Das glaube ich jedenfalls. Das kann nur sie gewesen sein.
    Ich habe sie zum letzten Mal gesehen, als Sir Andrew mit seiner Tochter abgereist ist. Da bin ich zu meiner Granny gegangen und habe ihr von meiner Angst erzählt, dass sie vielleicht nicht mehr wiederkommen. Er hatte nämlich nicht gesagt, wann sie wiederkommen und ob er mich noch braucht.
    Ja, vielleicht war sie am Ende verrückt. Aber sie war eine gute Mutter, davon bringt mich keiner ab. Sie hat ihr Kind so geliebt, dass sie nicht ohne es leben wollte. Dafür hat sie ihre eigene Seele geopfert. Dann ist es doch keine Sünde, oder?

36
    Die letzten Tage waren an Charlotte wie Riesenwellen aus Bildern und Worten vorübergezogen, die auf sie eindrangen und ihr kaum Luft zum Atmen ließen. Sir Andrew hatte Emily bei Mrs. Clare in London gelassen, da er sich strikt weigerte, sie noch einmal mit nach Chalk Hill zu nehmen. Nachdem die polizeilichen Untersuchungen abgeschlossen worden waren und man Selbstmord durch Erhängen als offizielle Todesursache festgestellt hatte, wurde Lady Ellen Clayworth endlich in ihrem Grab auf dem Friedhof von Dorking beigesetzt. Es geschah im Morgengrauen, und nur Sir Andrew, Charlotte und die Mortons waren zugegen. Der Totengräber hatte einen Eid geleistet, über das Begräbnis Stillschweigen zu wahren.
    Sir Andrew stand mit versteinerter Miene am Grab. Charlotte konnte nicht annähernd erahnen, was in ihm vorging – ver spürte er Wut, Trauer, Fassungslosigkeit? Als sie auf dem dunklen Friedhof auf der Hügelkuppe stand und der eisige Novemberwind an ihrem Mantel zerrte, sehnte sie sich Tom herbei, doch Sir Andrew hatte deutlich erklärt, dass er seine Anwesenheit weder in

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