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Der verbotene Fluss

Der verbotene Fluss

Titel: Der verbotene Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
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Oxford überkommt mich eine Ruhe, die mir zu Hause oft fehlt«, gestand Tom lächelnd. »Leider habe ich es nicht früher geschafft. Vor Weihnachten war viel zu erledigen, und dann bin ich zu meinem Vater nach Warwick gefahren. Er ist immer in Sorge um mich, da konnte ich mich dem Festtagstrubel nicht entziehen.«
    »Wie geht es ihm?«
    »Recht gut. Meine Schwester und meine Brüder waren auch mit sämtlichen Kindern da, zum Glück nicht alle am selben Tag, das hätten meine Nerven nicht verkraftet. Aber es war schön, sie wiederzusehen.«
    Tom war am Vortag angekommen, nachdem er die ausstehenden Artikel abgeliefert hatte. Vielleicht würde es ihm hier gelingen, an seinem Shakespeare-Buch weiterzuarbeiten, Oxford wirkte stets erfrischend auf den Geist. Er hatte das Manuskript voller Hoffnung mitgenommen und spielte mit dem Gedanken, es John Hoskins zu zeigen, auch wenn dieser kein Fachmann für englische Literatur war. Doch zumindest konnte er beurteilen, ob etwas gut oder schlecht geschrieben war. Denn dies hier sollte anders sein als seine Theaterkritiken, die sich großer Beliebtheit erfreuten, aber immer nur für den Moment verfasst waren.
    Der vergangene Abend war fröhlich verlaufen. Die Köchin hatte ein ausgezeichnetes Essen gezaubert, und sie hatten noch lange am Kamin gesessen, Wein getrunken und über dieses und jenes geplaudert. Tom hatte zuvor interessiert beobachtet, wie eingehend sich Sarah und John mit ihren Kindern beschäftigten. Die Kleinen hatten mit ihnen zusammen gegessen, etwas auf ihren Instrumenten vorgespielt, und danach hatte Sarah ihnen beim Schlafengehen vorgelesen. In dieser Familie wirkte alles harmonisch und ungezwungen.
    »Wie ist es deiner Schwester in der Zwischenzeit ergangen?«, fragte er nun etwas unvermittelt. »John hatte in seinem Brief vom November erwähnt, dass ihr wegen dieses Mediums beunruhigt seid.«
    Er bemerkte die Besorgnis in Sarahs Gesicht. »Nicht gut. Eigentlich geht es ihr schlechter als in den Monaten nach Gabriels Tod. Sie ist noch mehrmals bei diesem Belvoir gewesen. Sie unternimmt nichts mehr, ohne ihn zurate zu ziehen. Ich verstehe nicht, was sie an ihm findet.«
    »Sie findet nichts an ihm, sie ist abhängig von seinen Beschwörungen«, warf John etwas unwirsch ein. »Ich habe ein Foto in der Zeitung gesehen; er ist ein klein gewachsener Exot mit Kinnbart, den man unmöglich ernst nehmen kann.«
    »John! Das ist nicht komisch«, sagte Sarah strafend. »Dieser Mann muss entlarvt werden – er ist ein Scharlatan!«
    »Anscheinend ein überzeugender Scharlatan«, warf ihr Mann ein. »Ich habe deine Schwester für einen vernünftigen Menschen gehalten, aber sie ist diesem Unsinn völlig verfallen. Nur weil auf einmal Gott und die Welt Séancen abhält und Tische schweben lässt, werden die Naturgesetze nicht außer Kraft gesetzt. Denkt nur an Madame Blavatsky und ihre Theosophen – lauter Schwindler.«
    »Du machst es dir sehr einfach«, empörte sich Sarah. »Du betrachtest alles von einem rationalen Standpunkt und vergisst dabei, dass Menschen nicht nur einen Verstand, sondern auch Gefühle besitzen. Emma ist nicht mehr die, die sie vor Gabriels Tod war. Darauf sollten wir Rücksicht nehmen.«
    Tom wusste, dass Emma Sinclairs Verlobter bei einem schreck lichen Verkehrsunfall ums Leben gekommen war. Eine Kutsche hatte ihn auf offener Straße überfahren und ein Stück mitgeschleift. »Einen solchen Schicksalsschlag verkraftet niemand in so kurzer Zeit.«
    Tom trat unwillkürlich ein Stück zur Seite – nicht wegen der hitzigen Diskussion seiner Freunde, so etwas kannte er zur Genüge –, sondern weil ihm die Richtung, die das Gespräch genommen hatte, nicht behagte.
    Die beiden redeten im Gehen weiter aufeinander ein, bis John abrupt stehen blieb und Tom ansah. Dann schlug er sich an die Stirn. »Tom, du musst verzeihen … Wie dumm und rücksichtslos von uns.«
    Sarah legte ihm wortlos die Hand auf den Arm, doch er schob sie sanft beiseite.
    »Schon gut. Kurz gesagt, ihr macht euch beide Sorgen, auch wenn ihr unterschiedliche Ansichten vertretet. Ihr meint, dass der Mann Emma ausnutzt, um Geld zu verdienen und über ihre Empfehlung möglicherweise an weitere Kunden zu gelangen. Ist das richtig?«
    Sarah nickte. »Sie lebt nicht mehr in der Gegenwart, sie fiebert nur noch diesen Zusammenkünften entgegen, weil sie sich Nachrichten von Gabriel erhofft. Das ist nicht gesund. Aber sie will nicht mit sich reden lassen und lässt keine Kritik an Belvoir

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