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Der verbotene Fluss

Der verbotene Fluss

Titel: Der verbotene Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
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und meidet das Ufer.« Er zuckte ratlos mit den Schultern.
    »Sie erwähnten vorhin eine Teestube. Könnten Sie mir erklären, wo ich die finde? Es ist eine Marotte von mir, an allen Orten, die ich besuche, die scones zu probieren.«
    Der alte Smith lachte meckernd. »Dann sind Sie bei uns genau richtig. Die Schwestern Finch backen die besten in ganz Surrey.«
    Danach unterhielten sie sich über unverfängliche Dinge, bis Smith sich verabschiedete, nachdem ihm der Wirt einen strafenden Blick zugeworfen hatte.
    Tom brachte sein leeres Glas an die Theke und klopfte die Pfeife in einem Aschenbecher aus, bevor er sie in die Tasche seines Gehrocks steckte.
    »Eine gute Nacht, Sir«, sagte der Wirt und hielt ein blank poliertes Glas ans Licht.
    »Danke.«
    In seinem Zimmer zog Tom den Gehrock aus und hängte ihn an den Türhaken, legte den Hemdkragen ab, öffnete die obersten Knöpfe und fuhr sich mit den Händen durch die Haare. Er warf einen Blick in den Spiegel. Es kam ihm immer vor, als veränderte er sich in einem fremden Zimmer, als färbte die Umgebung auf ihn ab.
    Es schien, als wären die Linien um seinen Mund ein wenig tiefer geworden, als läge der Bartschatten besonders dunkel auf seinem Kinn. Sein eigenes Gesicht schien ihn zu warnen.
    Unsinn, dachte er und wandte sich vom Spiegel ab, konnte sich aber eines seltsamen Gefühls nicht erwehren. Da war etwas, das er nicht benennen konnte und das die Neugier und gespannte Erwartung, mit denen er hergekommen war, zu trüben drohte. Tom ging auf und ab, weil er so besser nachdenken konnte. Dann erkannte er es. Das Gefühl, das an ihm nagte, war unterdrückter Zorn.
    Zorn über Sir Andrew. Einen Mann, der Ärzte konsultierte und Henry Sidgwick zurate zog, weil er sich um seine Tochter sorgte. Einen Mann, von dem Tom erwartet hätte, dass er alles tun würde, um seiner Tochter zu helfen. Einen Mann, für den er sich auf ein Gebiet begab, auf dem er eigentlich nicht zu Hause war. Einen Mann, der ihm gleich am ersten Tag wichtige Dinge verschwiegen hatte, zum Beispiel, wie seine Frau ums Leben gekommen war.
    Wann hätte Tom wohl davon erfahren, wenn er nicht zufällig auf den redseligen Mr. Smith gestoßen wäre? Hätte er misstrauisch werden müssen, als Sir Andrew bei ihrer Unterredung lediglich von einem Unglücksfall gesprochen hatte? Er hatte den Mole vom Zug aus gesehen. Selbst wenn er im Frühjahr viel Wasser geführt hatte, erschien es kaum denkbar, dass ein erwachsener Mensch versehentlich hineinstürzen und ertrinken konnte …
    Tom setzte sich aufs Bett und stützte die Stirn in die Hände. Jetzt bereute er doch wieder, hergekommen zu sein. Das Gefühl war so überwältigend, dass er sich fragte, ob es rational war oder in dem zweiten Whisky begründet lag. Seine gute Stimmung von vorhin war verflogen, und zum ersten Mal seit Langem war es, als säße Lucy mit ihm im Zimmer. Er schaute sich unwillkürlich um, wohl wissend, dass er sie niemals wiedersehen würde. Eine leise, beharrliche Stimme in seinem Inneren fragte, ob es wirklich klug war, sich in das Privatleben eines Mannes einzumischen, der ebenfalls seine Frau verloren hatte.
    Dann erhob er sich mit einem Ruck und begann sich auszuziehen, hängte Weste und Hemd über den Kleiderständer, löste die Hosenträger, zog die Hose aus und das Nachthemd an. Er wusch sich über der Porzellanschüssel und kämmte sich die Haare.
    Er war hergekommen, um einem kleinen Mädchen zu helfen, soweit es in seiner Macht stand, und diese irrationalen Ängste würden ihn nicht daran hindern.
    Nachdem Charlotte Emily in ihr Zimmer gebracht hatte, blieb sie noch ein paar Minuten lang bei dem Mädchen sitzen.
    »Der Herr, der Papa besucht hat, ist sehr nett«, sagte Emily unvermittelt.
    »Ja, das stimmt«, sagte Charlotte. »Ich glaube, ich habe schon einmal etwas von ihm in der Zeitung gelesen. Das war lustig.«
    »Er schreibt lustige Sachen?«, fragte Emily aufgeregt und fügte dann nachdenklich hinzu: »Eigentlich mag ich die gruseli gen, spannenden Geschichten lieber, so wie die vom Kohlen munkpeter.«
    »Er hat etwas über einen Detektiv geschrieben«, sagte Charlotte. »Das hörte sich spannend an.«
    »Was ist ein Detektiv?«
    »Das ist jemand, der verschwundene Leute oder Gegenstände sucht und dabei Abenteuer erlebt. Der Menschen genau beobachtet und herausfindet, ob sie ein Verbrechen begangen haben.«
    »Macht das nicht die Polizei?«, fragte Emily argwöhnisch.
    Charlotte lachte. »Schon. Aber es gibt Leute, die

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