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Der verbotene Kuss

Der verbotene Kuss

Titel: Der verbotene Kuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laini Taylor
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genug über sie geredet, Schatz. Bitte.«
    »Und mein Vater? Arkadi? Was ist mit ihm geschehen?«
    Mab schaute weiter nach draußen und flüsterte: »Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, was sie danach mit ihm gemacht haben.«
    Das Wort »danach« hing lastend zwischen ihnen in der Luft, und Esmé wünschte, sie hätte nicht gefragt. Dieses eine Wort eröffnete ein ganzes Universum unsäglicher Möglichkeiten. »Vielleicht konnte er entkommen«, sagte sie. »Du konntest auch entkommen.«
    »Ja, aber ich hätte es niemals allein geschafft. Ich hatte Hilfe.«
    »Von wem?«
    »Von einem der ihren. Er war ein Naxturu – so werden die Wölfe genannt. Es bedeutet nachtaktiv. Sie bilden die oberste Kaste der Druj.«
    »Warum hat er dir geholfen?«
    » Uns , mein Schatz. Er hat uns geholfen, und ich habe nie erfahren, weshalb. Jetzt iss deine Suppe. Wir haben einen langen Weg vor uns, du musst bei Kräften bleiben.«
    Esmé runzelte die Stirn. »Was ist mit dir? Du hast noch gar nichts gegessen.«
    Mab hatte nur mit dem Löffel in ihre Suppe Kreise gezogen. Jetzt hob sie ihn an den Mund und nippte zaghaft daran. »So«, sagte sie. Langsam und schweigend aßen sie ihre Suppe, ohne etwas davon zu schmecken.
    »Mama«, sagte Esmé, nachdem der hübsche Kellner die Suppentassen abgeräumt hatte. »Glaubst du, die Wölfe können uns durch den Eisenbahntunnel folgen?«
    »Der sollte uns eigentlich einen gewissen Vorsprung verschaffen«, antwortete Mab. »Sie jagen nur des Nachts. Sie beziehen Kraft vom Mond und sind am stärksten, wenn er am nächsten ist.«
    »Aber im Augenblick ist er nicht nahe«, sagte Esmé. »Er hat fast das Apogäum, den fernsten Punkt, erreicht.« Sie hatte ihr Leben lang die Mondbewegungen mit ihrer Mutter aufgezeichnet, und jetzt endlich wusste sie, weshalb.
    »Das ist gut für uns«, sagte Mab. »Sie werden nicht bei vollen Kräften sein.«
    Esmé ahnte, das würde kaum eine Rolle spielen, da sie immer noch stark genug wären. Sie konnte die Wölfe regelrecht sehen, wie sie aus der Dämmerung heranpreschten und der Geifer von ihren gelben Fangzähnen triefte. Außerdem würden sie sowieso nicht aufgeben, ehe sie Esmé gefunden hätten. Sie fragte sich verwundert, weshalb sie nicht größere Furcht empfand. »Was wollen sie?«, fragte sie in gedämpftem Ton.
    Mab lächelte sie nur an und griff nach ihrer Hand. Wenn Mab wusste, was sie wollten – und der Angst in ihren Augen zufolge wusste sie es –, würde sie es trotzdem nicht verraten.
    Der Zug sauste weiter, durch den Tunnel unter dem Meer nach Frankreich hinein. Schließlich erreichten sie Paris und stiegen um in einen Zug nach Marseille, wo Mab ein Schiff nach Afrika oder zu den Kanarischen Inseln besteigen wollte. Oder vielleicht ein Boot, dass niemals wieder an Land kam, sondern weiter und weiter fuhr, sodass die Wölfe sie niemals finden würden. Aber das nächste Passagierschiff, so erfuhren sie bei ihrer Ankunft im Hafen von Marseille, würde erst am Morgen ablegen. Es sollte nach Tunis gehen und würde beim Morgengrauen in See stechen.
    Die Nacht senkte sich auf die Stadt.
    Mab wusste, daheim in London würden die Jäger aufwachen, an dem Ort, den sie sich als Versteck ausgesucht hatten. Vermutlich hatten sie in ihren Mensch-Cithrim geschlafen, wie sie es auch daheim in Tajbel taten. Erezav und Isvant würden bei ihnen sein, die Lieblinge der Königin, die immer aussahen wie Tiere, gleichgültig in welchem Cithra, Wolf oder Mensch oder sogar Krähe. Sie gaben boshafte Krähen ab und pickten Menschen die Augen aus, wenn die sie auch nur angesehen hatten. Und die Königin selbst würde auch dabei sein, nicht als Wolf, sondern als Frau. Vielleicht ritt sie auf einem ihrer Wölfe und hielt sich in dessen Fell am Nacken fest. Mab schauderte es bei der Vorstellung, wie die Königin auf einem dieser massigen schwarzen Tiere saß. Sie wusste, die Jäger konnten Marseille erst in Stunden erreichten, dennoch erfüllte sie der aufgehende Mond mit Panik. »Komm«, sagte sie und packte Esmé an der Hand.
    Sie fanden ein Hotel und nahmen sich ein Zimmer oben unter dem Dach. Es hatte ein rundes Fenster, durch das man hinaus auf den Hafen blickte, und es gab ein großes Bett. Mab und Esmé kauerten sich darauf zusammen. Sie verbrannten die Seiten eines Liebesromans, den jemand im Zimmer vergessen hatte, und verstreuten die Asche um das Bett herum. Ein wenig behielten sie in den Händen und in den Taschen ihrer Nachthemden, bereit, damit zu werfen. »Asche,

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