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Der verbotene Kuss

Der verbotene Kuss

Titel: Der verbotene Kuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laini Taylor
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mit der wir sie verbrennen können«, erklärte Mab.
    »Warum?«, wollte Esmé wissen und betrachtete ihre schmutzigen Finger. Die Asche fühlte sich unangenehm an.
    »Ich weiß es nicht. Sie verabscheuen Feuer. Ich habe gar kein Feuer gekannt, bis ich von ihnen geflohen bin.«
    Lange Zeit schwiegen sie und lauschten.
    Esmé schlief und träumte von einem Mond, den ein zerklüftetes Felsfenster einrahmte, von einem Bett aus Fell und Lidern aus Silber, die aufklappten und echte Augen – blutunterlaufen und verklebt – zum Vorschein brachten. Sie träumte davon, wie sich warme Lippen auf ihre drückten, und sie schmeckte Flusswasser auf ihnen und sah Schneeflocken, die sich im langen, dunklen Haar verfangen hatten. Sie erwachte und lauschte nach dem Geheul von Wölfen, hörte jedoch nur die Geräusche der Stadt.
    Mab war die ganze Nacht wach geblieben, und ihre Augen waren vor Erschöpfung glasig. »Es ist Zeit.«
    Draußen dämmerte es. Der zerrissene Schleier der Nacht hing noch über der Stadt, als wäre die Nacht eine grimmige Braut, die zum Horizont trottete und eine schattenhafte Schleppe hinter sich herzog. Sie eilten an kurzen Häuserblocks vorbei zum Wasser, wo sie sich unter eine verschlafene Gruppe von Passagieren mischten, die darauf warteten, an Bord zu gehen. Die Minuten verstrichen, und mit jeder zog das Licht des neuen Tages ein wenig höher am Himmel hinauf, bis Mab und Esmé zu glauben begannen, die Flucht könnte ihnen gelingen.
    Doch das erste Heulen kam – aus weiter Ferne zwar, und es war ein schauriger Hauch von einem Laut, der auch von etwas anderem hätte stammen können, von einer Sirene oder einer klagenden Frau. Aber Mab und Esmé erkannten es sofort. Sie spürten es in ihren Knochen und ihren Seelen. Sie fuhren herum, lauschten, schauten, suchten. Es folgte ein zweites und ein drittes Heulen, und jedes war näher. »Mama, sie sind da!«, rief Esmé, und Mab hörte die Aufregung in ihrer Stimme und las sie von ihrem Gesicht ab.
    »Esmé!«, sagte sie scharf und packte die Hand ihrer Tochter. Die Passagiere gingen stockend über die schmale Gangway zum Schiff, und Mab drängte sich an ihnen vorbei und zerrte Esmé hinter sich her. Halbherzige Flüche hallten ihnen nach, doch Mab drückte dem Kontrolleur die Karten in die Hand und eilte an Bord und einen breiten Gang über Deck entlang. Sie wollte zu der Tür, die ins Innere führte, aber Esmé riss sich von ihr los und rannte zur Reling. Sie klammerte sich an das Geländer und starrte hinaus zum Ufer, das in Dämmerlicht getaucht war.
    Einen Augenblick starrte Mab ihre Tochter an, wie sie da schmächtig und schlank stand, den Kopf im Nacken, das Haar geschoren, den langen weißen Hals entblößt. Die Faszination ließ ihr Gesicht beinahe glühen. Esmé schob die Augenklappe zurück. Ihr blaues Auge glitzerte wie Glas. Der Atem stockte ihr, und sie zeigte hinaus. »Mama! Dort!«
    Verzweifelt folgte Mab mit dem Blick der Richtung, in die der Finger zeigte, und im gleichen Augenblick hörte sie die ersten verwirrten Rufe aus dem Hafen. Dann sah sie die Wölfe. Schwarz, riesig, schnell. Mit einem Schrei löste sie Esmés Hände von der Reling und zerrte sie durch die Tür. Sie zog sie Schritt um Schritt weiter den Gang entlang. Esmé schaute nur gebannt über die Schulter nach hinten.
    Sie stiegen eine Treppe nach unten und folgten schmalen Korridoren. Das Schiff war ein Labyrinth. Das Heulen war verstummt, als sie ins Innere getreten waren, doch jetzt hallte es unheimlich durch die Gänge. Die Wölfe waren ihnen hereingefolgt. In ihrer Aufregung entdeckte Mab eine kleine, leere Kabine, zog Esmé hinein und schloss die schwere Tür hinter sich.
    Sie ließ sich jedoch nicht zusperren. Sie hatte kein Schloss. Mab atmete keuchend und warf sich dagegen, gerade, als von draußen ein großes Gewicht an die Tür hämmerte und sie ihr an den Hinterkopf schlug. Die Tür öffnete sich einen Spalt weit. Eine schwarze Schnauze schob sich hindurch, und Wolfsatem dampfte in den kleinen Raum. Schreiend warf sich Mab nochmals gegen die Tür, und ihre Füße begannen zu rutschen, während die Wölfe von außen dagegendrückten.
    Esmé stand in einer Art Trance neben ihr.
    Und in der winzigen, düsteren Kabine, die einen Moment zuvor noch leer gewesen war, tauchte hinter ihr eine Gestalt auf. Eine leise, vorwurfsvolle Stimme fragte: »Was hast du dir eigentlich gedacht, wohin du fliehen willst, Mab?«
    Mab keuchte: »Du!«, und die Gestalt trat aus dem

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