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Der verbotene Ort

Titel: Der verbotene Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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auflegte, zitterte seine Hand, Schweiß trat ihm auf den Rücken. Er hatte Vladislav beruhigt, er hatte ihm gesagt, dass bei Adamsberg eine unerwartete Abwesenheit nichts Besorgniserregendes sei. Aber das war falsch. Adamsberg war seit siebzehn Stunden verschwunden, davon eine ganze Nacht. Er hatte Kisilova nicht verlassen, oder er hätte ihn davon informiert. Danglard zog die Schublade von seinem Schreibtisch auf, nahm die noch ungeöffnete Flasche heraus. Ein guter Bordeaux, hoher pH-Wert, geringer Säuregehalt. Er rümpfte die Nase, legte die Flasche unwillig zurück. Und stieg die Wendeltreppe hinab in den Keller. Es war, hinter dem Heizkessel versteckt, noch eine Flasche Weißwein da, er öffnete sie wie ein Anfänger, indem er den Korken zerriss. Dann setzte er sich auf seine gewohnte Kiste, die ihm als Bank diente, trank ein paar Schlucke. Warum, zum Teufel, hatte der Kommissar das GPS in Paris gelassen? Das Signal stand fest auf einem Punkt, seinem Haus. In der Kälte dieses Kellers, der schimmelig und nach Gully roch, fühlte er, dass er im Begriff war, Adamsberg zu verlieren. Er hätte ihn nach Kisilova begleiten sollen, er wusste es, er hatte es gesagt.
    »Was machst du da unten?«, fragte die heisere Stimme von Retancourt.
    »Mach dieses verdammte Licht nicht an«, sagte Danglard. »Lass mich im Dunkeln.«
    »Was ist los?«
    »Keine Nachricht von ihm seit siebzehn Stunden. Verschwunden. Und wenn du wissen willst, was ich denke – tot. Der Zerquetscher hat ihn in Kiseljevo umgebracht.«
    »Was ist Kiseljevo?«
    »Das ist der Eingang des Tunnels.«
    Danglard deutete auf eine andere Kiste, so wie man in einem Salon einen Stuhl anbietet.

37
     
    Sein Körper war gänzlich in einer Hülle aus Kälte und Fühlosigkeit verschwunden, sein Kopf funktionierte noch zum Teil. Stunden mussten vergangen sein, sechs Stunden vielleicht. Noch spürte er seinen Hinterkopf, wenn er die Kraft aufbrachte, ihn auf dem Boden hin und her zu bewegen. Das Gehirn warmzuhalten versuchen, weiter die Augen bewegen, sie öffnen, sie schließen. Es waren die letzten Muskeln, die er noch betätigen konnte. Die Lippen unter dem Klebeband bewegen, das sich durch den Speichel ein wenig gelöst hatte. Und dann? Wozu noch lebende Augen in einem Leichnam? Seine Ohren hörten. Aber es gab nichts zu hören außer dem trostlosen Mückengesirre seines Tinnitus. Dinh konnte mit seinen Ohren wackeln, er nicht. Seine Ohren, spürte er, würden das Letzte sein, was noch am Leben wäre. Sie würden wie ein plumper Schmetterling nebeneinander durch diese Gruft fliegen, viel ungraziöser als die aus dem Schwarm, der ihn bis zu der alten Mühle begleitet hatte. Die Schmetterlinge hatten nicht hineingewollt. Er hätte darüber nachdenken und es ihnen gleichtun sollen. Man muss immer den Schmetterlingen folgen. Seine Ohren vernahmen ein Geräusch von der Tür her. Er öffnete. Er kam zurück. Unruhig, um nachzusehen, ob das Werk getan war. Wenn nicht, würde er es auf seine Weise vollenden, Axt, Säge, Stein. Ein nervöser Typ, ängstlich, Zerks Hände falteten und lösten sich unaufhörlich.
    Die Tür ging auf, Adamsberg schloss die Augen, um dem plötzlichen Lichteinfall zu entgehen. Zerk schloss den Türflügel mit großer Vorsicht, sehr langsam, und schaltete eine Stablampe ein, um ihn zu untersuchen. Adamsberg spürte, wie der Strahl immer wieder über seine Lider glitt. Der Mann kniete sich hin, fasste das Klebeband, das den Mund verschloss, und riss es mit einem Ruck ab. Dann betastete er den Körper, sah, dass er von oben bis unten umwickelt war. Er atmete jetzt schwer, wühlte in seiner Tasche. Adamsberg schlug die Augen auf, betrachtete ihn.
    Es war nicht Zerk. Seine Haare waren nicht die Haare von Zerk. Kurz und sehr dicht, von roten Büscheln gesprenkelt, die im Licht der Lampe aufflammten. Adamsberg kannte nur einen einzigen Menschen mit einem so merkwürdigen Haarschopf, braun und von roten Strähnen durchzogen, da, wo das Messer hineingefahren war, als er ein Kind war. Louis Veyrenc de Bilhc. Und Veyrenc hatte die Brigade nach dem erbitterten Kampf verlassen, in dem sie sich beide gegenübergestanden hatten.* (* Fred Vargas, Die dritte Jungfrau. ) Er war vor Monaten in sein Dorf Laubazac zurückgekehrt und tauchte seine Beine in die Flüsse des Béarn, er hatte nie wieder von sich hören lassen.
    Der Mann hatte ein Messer herausgeholt und machte sich daran, die Rüstung aus Paketband zu zerschneiden, die ihm die Brust einschnürte. Das

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