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Der verbotene Schlüssel

Titel: Der verbotene Schlüssel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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nickte. »Das lässt du schön bleiben, Jungchen. Dein Leben ist wichtiger als dieses Ei.«
    Theo schüttelte den Kopf. »Ihr zwei habt ja keine Ahnung.« Er zog leise die Tür auf und schlich in den Laden.
    Die kratzende Stimme des Stundenwächters hallte durch den Raum. »Immer weiter, immer weiter! Kämmt alles von vorne bis hinten durch. Die Uhr ist so groß wie meine Faust und sieht aus wie ein Ei. Vielleicht ist sie auch in einem größeren Ei versteckt. Es ist blau wie die aufziehende Nacht.«
    Theo hatte sich so weit vorgebeugt, dass er die Hände zu Hilfe nehmen musste, um voranzukommen. Wie eine Raubkatze schlich er auf den Schreibtisch zu, jede Deckung nutzend, die sich ihm bot. Er spähte hinter einer Kommode aus Wurzelholz hervor.
    Der Stundenwächter stand, einem schwarzen Scherenschnitt gleich, vor dem Schaufenster. Den Blindenstock schwang er wie ein Feldherr seinen Befehlshaberstab, wenn er die Truppen über das Schlachtfeld dirigierte. Seine drei »Kohorten« – der füllige Amtmann, der lange Polizist und der feiste Schlosser – hatten bereits das erste Drittel des Ladens durchstöbert. Mit mechanischer Gründlichkeit suchten sie jeden Quadratfuß Boden ab, öffneten Uhrenkästen und Möbelstücke oder drehten Objekte um, selbst so kleine Dinge wie Kompasse oder Goldwaagen, unter denen sich unmöglich ein faustgroßes Gehäuse befinden konnte.
    Der Graue schien die meiste Erfahrung im Aufspüren von Wertgegenständen zu besitzen. Er brauchte nur noch wenige Schritte bis zu der geflochtenen Stellwand. Es war unmöglich, vor ihm am Tisch zu sein, den Tornister zu schnappen und wieder ungesehen zu verschwinden. Theo ließ seinen Blick durch die nähere Umgebung rasen wie einen Bluthund beim Verfolgen einer Fährte. Es musste in diesem Chaos doch irgendwas geben, mit dem er den Vollziehungsbeamten in eine andere Richtung lenken konnte. Aber da war nichts, das auch nur im Entferntesten Ähnlichkeit mit dem Nürnberger Ei …
    Was war das? Auf einem Spielautomaten, der mangels besserer Abstellflächen auf dem Dielenboden stand, lag eine Kristallkugel. Nein, als Kugel ließ sich dieser Gegenstand eigentlich nicht bezeichnen, es sei denn, Kristalle sanken wie Hefeteig zu einem mehr breiten als hohen Klops zusammen. Theo erinnerte sich, dass auch Meister Hans einen ähnlichen Handschmeichler besessen hatte; hauptsächlich benutzte er ihn zum Beschweren seiner Uhr-Entwürfe. Der Schmeichler hier war glasklar und hatte in der Mitte einen Stern oder eine Blume aus Blau und leuchtendem Gelb. Auf dem Weg dorthin gab es kaum Deckung, und außerdem musste Theo einen Gang überqueren, der genau im Blickfeld des Stundenwächters lag. Der Graue war noch drei, höchstens vier Schritte von der Stellwand entfernt.
    Theo wollte seinen suchenden Blick schon weiterwandern lassen, als unvermittelt der Feiste rief: »Meister, da ist was.« Was der Schlosser entdeckt hatte, war nicht zu sehen, und es interessierte Theo auch nicht, denn Oros verließ seinen Posten am Schaufenster, um sich das Fundstück anzusehen.
    Eine bessere Gelegenheit bekommst du nicht, dachte Theo und ließ sich auf den Bauch sinken.
    Flink wie ein Nilkrokodil auf der Jagd kroch er über den Gang und klaubte den Handschmeichler vom Spielautomaten.
    »Das ist keine Uhr, sondern ein Kompass, du Idiot!«, schnauzte Oros den Schlosser an. »Leg ihn wieder hin und such weiter.«
    »Danke, Ihr seid sehr gütig, Meister«, erwiderte der Blaue monoton und ganz ohne Dialekt.
    Theo meinte, die Schritte des Stundenwächters zu hören, während er zurückrobbte. Als er den Gang in die Gegenrichtung überquerte, sah er ihn. Oros bezog seinen alten Posten am Schaufenster. Jeden Moment konnte er sich umdrehen …
    Dies geschah auch, doch Theo erreichte gerade noch rechtzeitig die andere Seite und suchte Zuflucht hinter einer weiteren Standuhr. Die Gefahr der Entdeckung war damit noch nicht gebannt, denn als er die Wange auf den Boden legte, um unter der spanischen Wand hindurchzuspähen, sah er die Füße des Grauen. Der schickte sich in diesem Moment an, den geflochtenen Sichtschutz zu umrunden.
    Jetzt oder nie! , dachte Theo, holte Schwung, zielte und setzte den Handschmeichler wie ein Kegler auf eine schnurgerade Bahn. Sie führte erst an der Stellwand und dann vor den Füßen des Vollziehungsbeamten vorbei in das chaotische Durcheinander aus Verkaufsstücken. Es war wohl mehr Glück als Geschicklichkeit, dass der rollende Kristallklops nicht gleich am

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