Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der verbotene Schlüssel

Titel: Der verbotene Schlüssel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
Vom Netzwerk:
Er sah nach rechts in Lauras Gesicht, um Zustimmung zu heischen, doch sie lächelte nur besorgt.
    Die zwei saßen auf der großen Couch. Jenseits des Ziffernblatttisches hatte Lotta den Sessel in Beschlag genommen und Sophia teilte sich mit Theo wieder das Zweiersofa. Man hatte die Vorhänge zugezogen. Ein Unbeteiligter, der sich wegen umherschleichender Spione eines gewissen Herrn Oros keine Gedanken zu machen brauchte, hätte daran bestimmt nichts ungewöhnlich gefunden. Die Dämmerung war längst vorüber und die Nacht hielt Luzern inzwischen fest im Griff.
    Im letzten großen Krieg habe er, wie Nico beiläufig herausgerutscht war, geraume Zeit in Höhlen unter der Erde zugebracht, weshalb ihm die Dunkelheit Beklemmungen verursache. Deshalb war das Erkerzimmer im ersten Stock der Mythenstraße 9 jetzt in ein warmes Licht getaucht, das durch die farbigen Halbedelsteine in etlichen Lampenschirmen schimmerte.
    In den Stunden davor hatte Lotta ihre Nichte und Theo von einem Schlupfwinkel zum nächsten geführt. Wenn man sich jahrelang vor einem Phantom verstecke – sie meinte Oros – und zudem ständig auf der Flucht vor den Pfändungsbeamten sei, dann entwickle man wirksame Methoden, sich unsichtbar zu machen. Erst nach Einbruch der Dunkelheit hatten sie endlich Nico und Laura aufgesucht.
    Trotz des damit verbundenen Risikos.
    Denn nach wie vor wusste niemand, wie der Stundenwächter Sophia und Theo nach ihrer Flucht aus Berlin so schnell hatte aufspüren können. Wenn der unfreundliche Schmuckverkäufer beim Bahnhof der Spion war, dann kannte er auch ihr Ziel: Nico dei Rossis Wohnung. Doch Lotta hatte dies kategorisch ausgeschlossen. Die Zeit zwischen einer möglichen Meldung des blasierten Herrn Heini und dem Aufkreuzen ihres Feindes sei einfach zu kurz gewesen. Oros müsse sich anderer Mittel und Wege bedient haben, die zwei bis nach Luzern zu verfolgen. Außerdem, hatte sie unwirsch hinzugefügt, wisse sie niemanden, dem sie sonst noch so rückhaltlos vertrauen konnte wie ihrem alten Meister. Also war sie mit ihren Schutzbefohlenen trotzdem in die Mythenstraße gegangen.
    Obwohl Lotta dem Uhrmacher schon an der Wohnungstür umrissen hatte, was ihnen in der Altstadt widerfahren war, zögerte er keinen Moment, die drei Flüchtlinge bei sich aufzunehmen. Als Jude habe er sich während der faschistischen Regime von Hitler und Mussolini oft verstecken müssen, um zu überleben. Und zur Beruhigung seiner geschätzten Schülerin und der neu hinzugekommenen Freunde hatte er vor erst einer Minute betont, dass er nichts und niemanden fürchte – außer eben die Schatten.
    »Wie hast du es geschafft, Theo aus dem Ei herauszubekommen?«, wandte sich Laura an Sophia. Sie deutete mit dem Kinn auf den kosmischen Mechanismus, der neben dem Fabergé-Ei auf dem Ziffernblatttisch lag.
    »Das würde ich auch gerne wissen«, sagte Lotta.
    »Mir scheint eher, er hat mich gerettet«, antwortete Sophia und erzählte, was ihr in Mekanis und dann in Berlin widerfahren war. An den entsprechenden Stellen schilderte sie auch Theos Geschichte, aber jeweils nur in wenigen knappen Sätzen.
    Danach herrschte eine Weile gedankenvolles Schweigen.
    Schließlich war es Lotta, die sich im Sessel reckte, sich mit den Fingern wie mit einem groben Zinkenkamm durchs leuchtend rote Haar fuhr und feststellte: »Wir waren alle nicht unschuldig wie Kinder. Deshalb sind unsere bisherigen Versuche, den Jungen zu befreien, wohl samt und sonders gescheitert. Um den armen Ole tut’s mir besonders leid.« Sie räusperte sich und fügte hinzu: »Und natürlich um deine Eltern.« Dabei sah sie mitleidsvoll ihre Großnichte an.
    Sophia wollte dankbar lächeln, merkte jedoch, dass ihre Miene ein klägliches Bild abgab. »Opa war ziemlich überzeugt davon, dass der Stundenwächter bei ihrem Tod die Finger im Spiel hatte. Anscheinend hat er alle Kollins auf dem Kieker. Bis jetzt habe ich im Merkwürdigsten Buch nur keine richtige Erklärung dafür gefunden.«
    »Ich habe dich in den Zeitfenstern gesehen«, sagte Theo unvermittelt.
    Sie starrte ihn aus großen Augen an. »Was? Ich verstehe nicht …«
    »Überleg doch mal! Im Irrgarten der Zeit kann man Vergangenheit und Zukunft sehen. Vielleicht bist du ja auch Oros aufgefallen. Möglicherweise hat er sogar vorausgesehen, dass die Tochter von Rasmus und Alisa Kollin mich aus dem Uhr-Ei befreien wird.«
    »Das wäre für so einen Schurken allerdings ein Mordmotiv«, sagte Lotta zu ihrer Großnichte. »Theo ist

Weitere Kostenlose Bücher