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Der verbotene Schlüssel

Titel: Der verbotene Schlüssel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Freund meiner Nichte bist du auch meiner.« Sie schüttelte abermals den Kopf. »Dass ich das noch erlebe!«
    Sophia schmunzelte. »Es geschehen noch Zeichen und Wunder.«
    »Wie habt ihr mich gefunden? Ich meine, dass ihr Nico besucht habt, weiß ich inzwischen, doch wie seid ihr uns auf die Spur gekommen?«
    »Erstens durch Das merkwürdigste Buch der Welt …«
    Lotta griff erschrocken nach der Tischkante. »Ich stehe in einem Buch?«
    »Es sind nur Erinnerungen, die Opa Ole für mich aufgeschrieben hat. Darin erwähnt er seine Schwester, allerdings nicht ihren Namen. «
    »Da bin ich aber beruhigt. Und zweitens?«
    »Durch den Mechanismus von Antikythera. Theo erzählte mir, dass er und Poseidonios mit dem Apparat nach Rom wollten. Unterwegs ist ihr Schiff bei der griechischen Insel im Meer versunken. Bevor sie ertrinken konnten, hat der Philosoph sie nach Mekanis versetzt, in das Uhr-Reich, das du wahrscheinlich schon von deinem Opa Erik kennst.«
    »Verstehe. Und dann hast du herausgefunden, dass der Doctor Mechanicae den Mechanismus nachbaut, und ihr beide seid nach Luzern gefahren. Wie geht es meinem Bruderherz eigentlich?«
    Sophia erschrak. Ihr wurde heiß und kalt. »Weißt du es etwa noch nicht …?«
    »Wissen? Was? Ist er wieder mal krank?«
    »Er ist … tot. Vor acht Tagen hat er Besuch bekommen – ich nehme an, du weißt, von wem ich rede –, und sein Herz ist einfach stehen geblieben. So wie …« Sie schluckte. »Wie bei Mama und Papa.«
    »Der Stundenwächter!?«, zischte Lotta gleichermaßen empört wie entsetzt. Sie schüttelte mit einer Miene voll zorniger Trauer den Kopf. »Ich habe Ole gewarnt. Bis er es nicht mehr hören konnte. Wag dich nicht zu weit aus der Deckung, habe ich ihm gesagt. Sag niemandem, wie du wirklich heißt, habe ich gesagt. Mach deinen Kopf frei von diesem verfluchten Ding, sonst spürt es Oros und findet dich. Warum musste er auch dieses denkwürdigste Buch schreiben …«
    »Merkwürdigste«, stellte Sophia reflexhaft richtig, ehe ihr bewusst wurde, dass Lottas Versprecher wohl einer von freudscher Art war – die trauernde Schwester hatte nur gesagt, was sie empfand: Das Nachdenken über den kosmischen Mechanismus hat die Aufmerksamkeit des Herrn der Zeit erregt. Wenn das stimmte, dachte Sophia, dann war Opa Ole der Wunsch, sein Wissen an sie weiterzugeben, zum Verhängnis geworden. Wider alle Vernunft fühlte sie sich mit einem Mal schuldig, so als habe sie durch eine dumme Unbesonnenheit den Tod ihres Großvaters verursacht …
    »Ich dachte, Rasmus und Alisa sind durch einen Autounfall ums Leben gekommen«, wunderte sich Lotta.
    Sophia kämpfte gegen die Tränen an. Tränen des Zorns und der Trauer. Sie schüttelte den Kopf. »Papa hat die Kontrolle über den Wagen verloren, als er starb. Vielleicht waren er und Mama auch schon tot, als …«
    Plötzlich schepperte die Ladentür.
    »Da hat jemand geklopft«, sagte Theo.
    »War ja unüberhörbar«, flüsterte Lotta und legte sich den Zeigefinger an die Lippen. Pscht! Sie erhob sich aus dem Stuhl, stellte sich auf die Zehenspitzen, lugte vorsichtig über die spanische Wand und zog sofort wieder den Kopf zurück. Ihre Augen zogen sich schießschartenartig zusammen. »Der Pfändungsbeamte mit zwei Gendarmen und noch einem Mann. Dürfte ein Schlosser sein. Die wollen meinen Laden plündern.« Sie schnaufte erbost. »Bestimmt hat er euch beobachtet.«
    »Du bist in finanziellen Schwierigkeiten?«, fragte Sophia.
    Abermals erzitterte die Glasscheibe.
    »Immer mal wieder. Leider sind meine Preise den meisten Kunden zu hoch – ich kann mich einfach so schwer von meinen kleinen Lieblingen trennen.« Sie wischte mit einem schmachtenden Blick wie mit einem Poliertuch über das Inventar hinweg und wandte sich erneut ihrer Nichte zu. »Deshalb spielen der Amtmann und ich ständig Versteck miteinander. Er ist allerdings noch nie mit einer ganzen Armee hier angerückt.«
    Von der Tür erscholl gedämpft die Stimme des Vollziehungsbeamten. Sie klang irgendwie seelenlos. »Frau Sprüngli, möchet Sie bitte sofort d’Töre uf. Ech meine subito. Söscht muess ech d’Töre ufbräche …« Unvermittelt verstummte der Mann.
    »Hat er seinen Stempel verschluckt?«, fragte Lotta gehetzt.
    Theo stand von dem Hocker auf. Als Größter von den dreien bereitete es ihm keine Schwierigkeit, über den Paravent zu spähen. Nach kaum mehr als einer Sekunde duckte er sich wieder. Er hatte die Augen aufgerissen und wirkte bestürzt. Seine

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