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Der verbotene Schlüssel

Titel: Der verbotene Schlüssel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Treuegelöbnis tatsächlich nur Lug und Trug gewesen?
    »Ich werde euch beweisen, dass ich mit Oros gebrochen habe«, rief Thaurin und stürmte durch die Schneise zurück, die unseren Weg markierte. Kraftvoll übersprang er ein paar quer liegende Ruten, senkte den Oberkörper und rammte in vollem Lauf mit seinem Rückenhorn eine schräg stehende Röhre.
    Darauf brach es ab.
    Der Aufprall hatte Thaurin von den Beinen gerissen. Er schlitterte auf seiner beschuppten Flanke über den Boden und verbeulte etliche Rohre. Dadurch verlor er rasch an Schwung und blieb schließlich reglos liegen.
    Mein Herz hatte vor Schreck bestimmt ein paar Schläge ausgesetzt. Fassungslos sah ich den erstarrten Automanten an. War er ernsthaft beschädigt?
    Unversehens rappelte er sich wieder hoch, lief zu der eingeknickten Röhre und zog das darin stecken gebliebene Horn heraus. Erhobenen Hauptes kehrte er zu mir zurück und überreichte es mir auf seinen Handflächen wie auf einem Präsentierteller.
    »Dies sei das Zeichen meines Bruches mit dem alten und meines Treuebundes mit meinem neuen Herrn. Mit dir. Theo. Nimm es und bewahre es in Ehren. Es gehört dir. Vielleicht ist es dir eines Tages von Nutzen.«
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Verlegen griff ich nach dem Horn. An der Bruchstelle konnte ich es umfassen wie einen Messergriff. Es war gebogen wie ein orientalischer Dolch und weniger schwer als vermutet. Die Spitze hatte trotz des mörderischen Zusammenstoßes mit dem Rohr keinen Schaden genommen. »Danke«, war schließlich alles, was ich herausbrachte, ehe ich die Waffe in meinen Gürtelstrick steckte.
    Die großen Augen von Nullus schienen zu lächeln.
    Lykos vermied den Blickkontakt mit mir.
    Ich lief zu dem Wolf und legte ihm die Hand auf den Kopf. »Kommst du mit, alte Kratzbürste? Wir marschieren jetzt zur Zeitwäscherei und unterhalten uns mit dem König.«
    »Nur wenn du mich nicht mehr alte Kratzbürste nennst. Den Spitznamen hat sich ein kopfloser Trottel ausgedacht.«
    »Einverstanden. Obwohl er zu dir passt.«
    »Theo?«, sagte der Automant und beugte vor mir das Knie. »Ohne Rückenhorn gebe ich ein passables Ross ab. Steig auf und halt dich an dem Stumpf fest. Falls wir die Gliederpuppe einholen wollen, müssen wir uns beeilen.«

28
    W inzige mechanische Bienen und Schmetterlinge schwirrten durch die Luft, sie flogen auf streng geometrischen Bahnen. Über den Boden krabbelten putzige Käferautomaten, manche im Kreis, andere auf einem quadratischen oder dreieckigen Kurs. Ein wie Perlmutt schimmernder Tausendfüßler versuchte, zwischen den ehernen Ruten ein Mäanderornament abzuschreiten, scheiterte aber an den riesigen Stängeln. Die kleinen Tiermaschinen waren flink genug, um sich von den eher trägen Rohren nicht zerquetschen zu lassen. Ich dagegen musste die Stangen für meine Gefährten und mich unentwegt beleben, sobald sie herabsanken und wir stecken zu bleiben drohten.
    Als es zu dunkel wurde, um im Rutengewirr weiterzumarschieren, bereitete ich uns ein Nachtlager. Im Wechsel belebte ich einzelne Ruten und ließ andere unangetastet. Dadurch flochten sich die Gliederrohre ineinander und bildeten eine Verbindung, die zwar beängstigende Geräusche von sich gab, aber sehr stabil war. Abgesehen von Nullus schlief in der Nacht keiner besonders viel.
    In der Morgendämmerung setzten wir unseren Marsch fort und erreichten im Laufe des frühen Vormittags das Ende des Samenstandes. Als wir die gigantische Blume der Ehernen Ruten verließen und zwischen einigen Eisenfelsen hindurchtraten, breitete sich vor uns eine weite Tiefebene aus. Davor lag eine schattenverhangene Senke oder Schlucht, deren Flanken zu steil waren, als dass wir hätten hineinsehen können.
    Aufgeregt ließ ich mich vom Rücken des Automanten gleiten. Die von Hügelkämmen und Bergen umgebene Landschaft kam mir bekannt vor. Ich hatte sie schon einmal gesehen, nur von einer anderen Warte aus. Als ich im Labyrinth der Zeit gefangen war. In der Ferne spiegelte sich die Sonne in etwas, das ich nicht genau erkennen konnte.
    »Das ist die Zeitwäscherei«, erklärte Thaurin, meinen Blick richtig deutend.
    »Und das da vorn?« Ich deutete auf eine Mauer, die sich als riesige dunkle Kreislinie durch das Tal zog. Ihre nächstgelegene Stelle war, jenseits der umschatteten Senke, etwa zwei oder drei Meilen entfernt. Das gegenüberliegende Ende lag verborgen im Dunst, der wie ein Schleier über der Landschaft hing. In regelmäßigem Abstand ließen sich

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