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Der verbotene Schlüssel

Titel: Der verbotene Schlüssel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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springt ein ehernes Ungeheuer aus den Schatten, das von einem wild quietschenden Goldbären geritten wird – so jedenfalls stellt es sich den Blechkameraden dar. Ehe der Patrouillenführer die Gefahr überhaupt gewahrt, ist er seinen Kopf los. Ähnlich ergeht es ein paar anderen Ritterrüstungen. Die Verwirrung unter den Übriggebliebenen ist groß. Ihr Bauprinzip sieht den Kampf mit ebenbürtigen oder schwächeren Gegnern vor, das hier passt nicht in ihr Schema. Anstatt das Heil in der Flucht zu suchen, behindern sie sich gegenseitig. Sie stolpern über abgeworfene Krieger, kreuzen die streng geometrischen Bahnen reiterloser Rösser …
    »Die Wachen stehen da und glotzen. Warum tun sie nichts?«, fragte ich. Aus meinem Versteck hinter der Hausecke sah ich nur reglos dastehende Rüstungen.
    »Wahrscheinlich haben sie zur Kenntnis genommen, wer da gerade ihre Kameraden zerlegt«, antwortete Thaurin unaufgeregt. »Bei einem Zermalmer wie ihm muss man immer mit solchen Angriffen rechnen. Mechanische Wölfe sind so konstruiert.«
    »Und Arki?«
    »Der Goldbär fällt nicht ins Gewicht.«
    »Aber …« Ich schüttelte verständnislos den Kopf. »Sollten sie ihren Gefährten nicht helfen?«
    »Unter Maschinen gibt es keine Freundschaft, Theo. Sie empfinden auch kein Mitleid. Allein der Zweck treibt sie zum Handeln an.«
    Plötzlich erzitterte das Tor unter einem Paukenschlag, der durchs ganze Lager hallte.
    »Ist das jetzt Nullus?«, erkundigte ich mich.
    Der Automant nickte. »Er ist gegen das Tor gelaufen. Bei einem Ohnekopf an sich nichts Ungewöhnliches. In dieser Situation steigert es die Verwirrung. Unser Freund wird so lange ›anklopfen‹, bis sie das Tor öffnen, damit es nicht Schaden nimmt. Sie werden ihn umdrehen und ins offene Terrain zurückschicken. Ich vermute, dass wir gleich anfangen können.«
    Er spielte auf den Notfallplan an, der durch das erzitternde Tor in Kraft trat. Überall eilten Ritterrüstungen aus ihren Abstellkammern. Waffen rasselten. Kraweelpferde wurden aus dem Stall gezerrt. Auch der Kommandant erschien auf der Bildfläche. Er schepperte eine Treppe hinauf zum Mauergang, um sich einen Überblick zu verschaffen.
    Als das Klappern der über den Platz rennenden Blechkameraden am lautesten war, setzte Thaurin sein enormes Hinterteil an die Gefängnismauer. Es war unglaublich, welche Gewalt in dem Nashorn-Stier-Leib unterhalb des menschlichen Körperteils schlummerte. Der Automant entfesselte sie, indem er sich mit seinem ganzen Gewicht gegen die Wand stemmte. Die aus Eisenton gebrannten Ziegel begannen zu knirschen, bald zu bröckeln und dann gaben sie nach. Ein mannsgroßes Loch tat sich auf. Der Krach auf dem Exerzierplatz übertönte bei Weitem den Zusammenbruch der Mauer. Ich schlüpfte in die Zelle.
    »Theo!«, rief Meister Taqi, fuhr freudestrahlend von einem eisernen Schemel auf und stieß dabei fast eine Blechkiste um, auf der eine Kerze brannte. »Bist du an diesem lärmenden Durcheinander schuld?«
    Meister Giovanni verdrehte die Augen zur Decke. »Der Wolf sagte doch, sie würden uns befreien. Sollen sie dafür erst einen Antrag einreichen, damit man uns die Tür aufschließt? Wie habt ihr Muselmanen nur ein so großes Reich erobern …?«
    »Das können wir später klären!«, fiel ich dem Spanier ins Wort und zeigte zu der Bresche. »Da geht’s raus.«
    »Mit dem Kopf durch die Wand. Das gefällt mir«, kicherte Giovanni und kletterte als Erster ins Freie. Der Osmane und ich folgten ihm auf dem Fuß.
    »Das ist mein Freund Thaurin. Ein Dreifach Gehörnter Automant«, stellte ich selbigen den Uhrmachern vor. »Er bringt uns hier raus.«
    Sie lächelten verstört.
    Thaurin deutete ins Getümmel. »Man öffnet gerade das Tor, um Nullus umzudrehen und draußen aufzuräumen.«
    »Weshalb sind so viele Reiter im Hof?«, erkundigte sich Taqi.
    »Standardprozedur. Das machen die immer so.«
    »Verstehe.«
    Ich begriff zwar nicht, wieso man eine so große Kavallerieeinheit mobilisierte, um einen Wolf und einen Ohnekopf zur Räson zu bringen, doch wenn es uns nützte …
    »Es wird Zeit aufzusteigen, Kameraden«, sagte Thaurin und deutete einladend auf seinen Rücken.
    »Da gehe ich nicht rauf«, protestierte Giovanni.
    »Dann bleibt eben hier«, versetzte Taqi, packte den Rückenhornstumpf und zog sich nach oben.
    Der Spanier bog das Kreuz durch und verdrehte die Augen zum Himmel, als hole er sich in einem stillen Stoßgebet Kraft. Danach erklomm auch er den Automanten. Ich fand

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