Der verbotene Schlüssel
kosmischen Mechanismus.
»Jetzt verstehe ich gar nichts mehr«, sagte Arki.
»Wir haben Oros eine Fälschung untergejubelt«, erklärte Sophia. Das Duplikat war von der Pforzheimer Juwelenschmiede Torvic Layher anhand von Fotos und genauen Maßangaben angefertigt worden, während Nico dei Rossi das Original repariert hatte. Äußerlich unterschieden sich die beiden Uhr-Eier nur in einem winzigen Detail, ein nahezu unsichtbares Erkennungszeichen, das Sophia extra am Boden der Replik hatte anbringen lassen. Selbst beim oberflächlichen Blick durch das Kristallziffernblatt ließ sich die Fälschung nicht erkennen. Natürlich hatten die Goldschmiede und Uhrmacher von Doktor Unruh auch einen passenden Schlüssel angefertigt. Die Kopien in so kurzer Zeit herzustellen, war für sie eine echte Herausforderung gewesen. Kein Wunder, dass der Firmenchef Sophias Idee anfangs so skeptisch gegenübergestanden hatte.
»Sollte er allerdings versuchen, die Weltenuhr von einem seiner mechanischen Sklaven in Gang setzen zu lassen, wird er die Verwechslung sofort bemerken«, fügte Theo hinzu.
Sie nickte mit säuerlichem Lächeln. »Bis dahin müssen wir über alle Berge sein. Wenn wir jetzt eine Kette bilden und den Mechanismus aufziehen – nur ein kleines bisschen –, dann können wir miteinander samt der Uhr in die Menschenwelt zurückgelangen. Und sobald die Zahnrädchen dort zum Stillstand kommen, stülpen sich die Welten wieder zurück. Mekanis erstarrt und Oros ist für hoffentlich sehr lange Zeit gefangen.«
»Da bin ich mir nicht so sicher«, knurrte Lykos. Er sah Theo an. »Du hast uns deine Geschichte erzählt. Was ist, wenn der Diskus dich gesucht hat? Die Weissagung Gwenoles spricht von einem ›Freund der Götter‹ und deine beiden Namen haben so ziemlich genau diese Bedeutung.«
Theo breitete hilflos die Arme aus. »Das mag ja sein. Sophia hat auch schon so was Ähnliches gesagt. Na gut, dann bin ich eben ein Auserwählter. Aber was hilft mir dieses Wissen? Wir brauchen eine wirksame Waffe gegen …«
Weiter kam er nicht, denn unversehens ertönte von allen Seiten ein lautes Knacken. Sophia bemerkte am Rande ihres Gesichtskreises etwas großes Dunkles …
Thaurin riss Schwert und Speer aus dem Waffengurt. »Wir werden angegriffen! Komm Lykos, kämpfen wir Rücken an Rücken. Die Menschenkinder nehmen wir in die Mitte.«
Sophia und Theo bezogen rasch ihre Positionen. Er zückte seinen Dolch.
»Und wo stehe ich?«, rief Arki.
Plötzlich landete die Zehngliedrige Pandine Medusa nur wenige Schritte hinter ihnen. Sie war mit einem gewaltigen, heuschreckenartigen Satz auf die Lichtung gesprungen. Ihre pupillenlosen Augen mit der sternförmigen roten Iris blickten kalt von einem Gefährten zum anderen, bis sie bei Theo stehen blieben. Mit ihrer schrillen Stimme ließ sie alle wissen, nach welchen Regeln von nun an gespielt wurde. »Ihr seid Gefangene des Königs von Mekanis. Wenn euch euer Leben lieb ist, dann rührt euch nicht von der Stelle!«
Andere mechanische Wesen brachen aus dem Unterholz: ein ganzer Trupp Dreifach Gehörnter Automanten und etliche Gliederpuppen. Die Lichtung war offenbar komplett umzingelt. Thaurin scharrte mit den Hufen, und Lykos knurrte, als wollten sie sich ungeachtet der Überzahl des Gegners sofort in den Kampf stürzen.
»Nicht!«, rief Theo seinen Freunden zu. »Wenn wir schon sterben müssen, dann soll es wenigstens nicht sinnlos sein.«
Die Gliederpuppe, die über die Lichtung hinweg auf die entwaffneten und umzingelten Rebellen zukam, bewegte sich auffallend geschmeidig. Sie hielt sich so aufrecht wie ein stolzer Ritter. Der Kleidung nach war sie keine Beamtin, sondern ein Mitglied der königlichen Garde. Sie trug Stiefel mit niedrigem Schaft, Kniebundhosen, ein Kettenhemd und einen Lederhelm. In der Hand hielt sie ein Schwert. Als sie sich vor Sophia und Theo aufgebaut hatte, musterte sie die beiden intensiv aus ihren türkisfarbenen Augen.
»Du?«, entfuhr es Theo und Arki wie aus einem Munde.
Sophia blinzelte verwirrt. »Ihr kennt euch?«
Blitzartig riss ihr die Puppe das Uhr-Ei aus der Hand. Hörbar belustigt erklärte sie: »Ich habe ihm das Weltenei gestohlen, so wie gerade dir.« Wie zum Beweis hob sie ihr Kettenhemd an. Sie hatte offenbar versucht, den ihr von Thaurin beigebrachten Makel auszupolieren. Ihre metallene Brust glänzte wie ein Spiegel. Trotzdem war immer noch deutlich die nach innen gewölbte Schrunde zu sehen.
Sie steckte ihr Schwert weg und reckte
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