Der verbotene Schlüssel
Gutes. Anscheinend gingen die Männer hier genauso rücksichtslos zu Werke, wie sie es in der Halle getan hatten. Plötzlich wurde ich am Kragen gepackt und in die Höhe gehoben.
»Wen haben wir denn da?«, fragte eine tiefe Stimme in kilikisch gefärbtem Griechisch.
»Ich bin Theophilos, der Schüler von Poseidonios und wer seid Ihr?«, antwortete ich geistesgegenwärtig, während ich mit den Füßen strampelte.
»Jemand, der deinen Herrn vor dunklen Elementen schützen will. Warum hast du es so eilig, Knabe?«
Endlich konnte ich mich umdrehen. Und erschauderte. Ein riesenhafter Legionär grinste mich an. Trotz meiner Angst brachte ich eine Antwort heraus. »I-ich muss meinem Meister dringend etwas erzählen.«
Er lachte rau. »Na, dann lauf. Soweit ich weiß, ist er im Bad. Wenn du Glück hast, triffst du ihn noch lebend an.«
Der makabre Frohsinn des Soldaten jagte mir einen neuerlichen Schrecken ein. Rasch lief ich ins Atrium, von dem alle Zimmer abgingen. Es war ein rechteckiger Raum mit einer von Säulen getragenen Öffnung im Dach. Über das darunter liegende Becken, in dem das Regenwasser für die Zisterne aufgefangen wurde, sah ich die offene Tür des Bades. Dunstwolken quollen heraus. Undeutlich vernahm ich die aufgeregte Stimme des Meisters.
»… Sofern Ihr nicht sofort verschwindet, werde ich mich bei ihm über Euch beschweren.«
Ich hetzte weiter. Kurz bevor ich das Bad erreichte, hörte ich den Zenturio. Er drohte, Poseidonios’ Haupt dem Pompeius nach Alba Longa zu schicken. Und dann befahl er einem Mann namens Mamik, seinen Speer zu nehmen und damit einen Zuber aus dem Wasser zu holen.
Als ich in den schwülheißen Raum stürzte, trieb ein hünenhafter Soldat gerade die Spitze seines Pilums durch den Boden des Heublumenbottichs. Dicht daneben ragte Poseidonios’ Kopf aus einem Blütenteppich. Das Wasser stand ihm bis zum Hals. Er wirkte betroffen. Agamemnon, bleich wie Schafskäse, starrte vom Beckenrand auf das Holzgefäß.
Wie ein Lanzenfischer holte der Legionär seine Beute ein. Kaum hatte er den Bottich aus dem Bassin gehoben, drängten von allen Seiten die Blumenköpfchen in die freie Fläche. Ich ahnte, welchem Zweck der Zuber gedient hatte. Sollte meine Vermutung stimmen, dann blieb dem Mann, der gerade darunter abgetaucht war, nur wenig Zeit … Meine Gedanken gerieten ins Stocken, als sich jäh der kräftige Arm eines Soldaten um meinen Leib schlang und mich wie eine Stoffpuppe hochhob.
»Nicht so hurtig, junger Mann«, sagte Obal. »Gehörst du zum Haushalt des Poseidonios?«
»Er ist mein Schüler«, erklärte der Philosoph.
»Meister!«, rief ich aufgeregt. »Ich glaube, ich habe einen Dieb gesehen.«
»Wie kommst du darauf?«, entgegnete Poseidonios.
»Der Mann war verletzt und rannte trotzdem, als sei eine ganze Armee hinter ihm her. Weil er so hetzte, kam er ins Stolpern. Dabei rutschte ihm eine goldene Scheibe aus dem Gewand und klapperte auf den Boden. Er hat sie schnell wieder aufgeklaubt und ist davongelaufen.«
Obal packte mich schmerzhaft am Arm und sah mich scharf an. Unsere Gesichter trennte nur eine Handbreit übel riechenden Atems. »In welche Richtung?«
»Na, zum Ende der Straße. Warum habt Ihr draußen keine Wachen aufgestellt, wenn Ihr diesen Mann …?«
»Schweig, du vorlauter Bengel. Welches Ende?«
»Das zum Hafen hinunterführt.«
Die Stimmung des Zenturios heiterte sich schlagartig auf. Ein breites Grinsen erschien auf seinem Gesicht, er tätschelte mir die Wange und sagte: »Gut gemacht, kleiner Rotzlöffel. Du hast deinem Herrn und Meister gerade eine Menge Unannehmlichkeiten erspart.«
Grußlos verließ Obal das Bad und bellte im Atrium ein paar Befehle, damit seine Männer sich im Laufschritt auf der Straße sammelten. Die beiden Leibwächter folgten ihm.
»Der Zuber gehört mir«, rief Poseidonios dem Hünen nach, an dessen Speer das Holzgefäß hing.
Der Soldat schwang sein Pilum herum, sodass der Bottich krachend an der Wand zersplitterte. Ohne sich noch einmal umzudrehen, entschwand er nach draußen. Seine Schritte entfernten sich schnell in Richtung Ausgang.
Eine kurze Stille trat ein.
Unvermittelt stiegen Blasen neben Poseidonios auf.
»Mein Herr …!«, hob Agamemnon mit missbilligender Miene an, als wolle er den Philosophen für etwas Ungehöriges tadeln.
Ehe ihm das gelang, schoss plötzlich Hyrkans triefendes Haupt aus dem Blütenteppich. Gierig rang er nach Atem.
»Schade, er lebt noch«, murmelte Agamemnon.
Der
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