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Der verbotene Schlüssel

Titel: Der verbotene Schlüssel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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stoischer Gelassenheit zu dem Holzgefäß in den Händen des Dieners. »Sobald alles ausgeschüttet ist, nimmst du ihn für dich, Hyrkan. Sollten die Soldaten hereinkommen, kannst du deinen Kopf darunter verstecken. Die Luft im Bottich dürfte für ein paar Atemzüge reichen.«
    »… Sieben! …« , brüllte Obal auf der Straße.
    »Seid Ihr sicher, dass sie darauf hereinfallen?«, fragte Hyrkan bang.
    »Acht! …«
    Poseidonios lächelte. »Vertrau mir. Je einfacher die List, desto besser.« Er wandte sich seinem Leibdiener zu. »Ich halte es für ratsam, Agamemnon, unsere Besucher nicht länger warten zu lassen. Achte gut auf deine Worte.«
    Grummelnd eilte der Diener aus dem Bad.
    Die zwei Männer im Wasser lauschten angestrengt auf die Geräusche aus der Eingangshalle. Obals lautes Organ war unverkennbar. Er zählte bis zehn. Hierauf erwarteten sie, das Bersten von Holz zu vernehmen, doch Agamemnon riss gerade noch rechtzeitig die Tür auf. Wie er später berichtete, hatte er sich dabei fast zu Tode erschreckt.
    Mehr als ein Dutzend Legionäre starrten ihn an, jeder wie zur Schlacht gerüstet mit einem Paar Speeren, Schwert und Dolch sowie einem großen Schild. Ihr Anführer, im silbernen Brustpanzer, trug einen Helm mit quer stehendem Rosshaarbusch. Sein gladius, das breite Kurzschwert der römischen Armee, hatte er auf die Tür gerichtet. Vier seiner Krieger wollten sich soeben mithilfe einer Wagendeichsel Zugang zum Haus verschaffen.
    Es folgte ein heftiger, für die im Bad Wartenden leider unverständlicher Wortwechsel. Irgendetwas krachte zu Boden. Die Stimmen wurden lauter … kamen näher … Es klang wie ein Verhör, das Obal im barschen Tonfall führte.
    »Gewährt Euer Herr einem Mann Unterschlupf, der aus Tarsus stammt? Sein Name ist Hyrkan, ein reuloser Pirat, der die Seeräuberei wiederbeleben will. Damit gefährdet er nicht nur Roms Sicherheit, sondern die aller Länder am Mare Nostrum.« – Unser Meer , so nannten die Römer jener Tage ganz unbescheiden das Mittelmeer.
    »I-ihr scheint nicht zu w-wissen, wessen Haus dies ist«, japste Agamemnon.
    »Oh, mir ist durchaus bewusst, wer hier wohnt. Der berühmte Poseidonios von Apameia, der früher als Prytan dem Stadtrat von Rhodos vorgestanden hat und zu dem alle Welt pilgert, um sich an seiner Gelehrsamkeit zu berauschen. Aber mich beeindruckt er damit nicht. Ich bin nur ein einfacher Zenturio, der seine Pflicht tut, um Rom vor verbrecherischen Elementen zu schützen. Ist das da der Zugang zum Bad?«
    »Sie kommen«, raunte Poseidonios.
    »Das höre ich«, knurrte der ehemalige Seeräuber. Allein der Klang von Obals Stimme habe, wie er mir später gestand, sein Blut in Wallung versetzt. Als sie noch gemeinsam Schiffe gekapert hatten, waren sie Kameraden gewesen. Aus der einstigen Freundschaft war erbitterte Feindschaft geworden.
    Hyrkan holte tief Luft und tauchte unter den umgestülpten Holzbottich, der dicht neben dem Philosophen im Blütenteppich trieb. Als sein Kopf in dem vergleichsweise kleinen Gefäß nach oben kam, stiegen ihm die darin gefangenen Dämpfe in die Nase. Er kam sich vor, als bade er in lauwarmem Kamillentee. Dumpf nahm er das Klappern von Rüstungen wahr.
    Dann hörte er wieder die Stimme seines Erzfeindes. Sie klang gereizt, während er sich Poseidonios vorstellte und in hochtrabenden Worten die Gefährlichkeit des flüchtigen Piraten beschwor. Den Geräuschen nach war er nicht allein ins Bad gekommen – Mamik und seine anderen hünenhaften Leibwächter wichen so gut wie nie von seiner Seite.
    Hyrkan schwitzte wie in einem Dampfbad. Obal konnte seinen Männern befehlen, mit ihren Speeren im Bassin herumzustochern. Selbst wenn er nur dastand und ins Wasser blickte, würden die sich rasch vollsaugenden getrockneten Blüten bald wie ein Schleier zu Boden sinken und der zweite Mann im Becken musste unweigerlich sichtbar werden. Im einfachsten Fall würde ihm die Luft ausgehen. Schon jetzt war sie unter dem kleinen Zuber unerträglich stickig.
    »Verzeiht, Zenturio, wenn ich mich nicht zu Euch hinausbemühe«, ächzte der Philosoph. »Meine Gelenke schmerzen bei jeder Bewegung. Außerdem will ich Euch den Anblick meines alten, gichtgeplagten Körpers ersparen.«
    »Sagt mir einfach, wo ich Hyrkan finde.«
    »Woher sollte ich den Aufenthaltsort dieses Mannes kennen?«
    »Ihr solltet mich nicht für einen Dummkopf halten, Poseidonios. Oder habt Ihr mein Gesicht vergessen? Ich bin einer der ehemaligen Seeräuber, die Euch ihr

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