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Der verbotene Schlüssel

Titel: Der verbotene Schlüssel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Riegeln. Danach kehrte ich zum Tisch zurück. »Habt Ihr schon früher von der Existenz dieser Scheibe gewusst, Meister?«
    »Du meinst, weil ich gestern meine Studien der minoischen Symbole erwähnte?« Poseidonios deutete auf eine geöffnete Schriftrolle, die neben dem Diskus lag. »Das hier ist die Abschrift eines Buches, welches ich vor vielen Jahren in der Bibliothek von Alexandria kopiert habe, um mich auf meine Expedition zu den Säulen des Herakles vorzubereiten. Du weißt, was sich dahinter befindet?«
    »Das Ende der Welt«, antwortete ich beklommen.
    Der Philosoph nickte. »So wird behauptet. Ich bin nichtsdestotrotz immer davon überzeugt gewesen, dass im Atlantik ganz andere Geheimnisse auf uns warten.« Er zeigte erneut auf die Schriftrolle. »Solche Geheimnisse. Dieses Buch wurde ursprünglich in der griechischen und in jener Zunge verfasst, die man zur Zeit des legendären Königs Minos auf Kreta sprach. Mit seiner Hilfe erlernte ich die Schriftzeichen eines Bundes von Weisen, die sich die Erleuchteten nannten. Es erwähnt auch die Insel Ys im Atlantis thalassa, dem ›Meer des Atlas‹ – daraus dürfte der Name Atlant- Ys oder Atlantis entstanden sein.«
    »Die sagenhafte Stadt, die im Ozean versank?«
    »Richtig. Hyrkans Geschichte von dem Prinzen Glaukos, der in Ys als Gwenole bekannt war, könnte somit einen wahren Kern haben.«
    »Daran glaube ich ganz fest. Mein Vater hat mir davon ein Lied vorgesungen.«
    »Der Druide? Tatsächlich! Das hast du nie erwähnt.«
    Ich zuckte die Achseln. Für die meisten in Rhodos war ich nur ein Sklave, nur Luft.
    »Na, jedenfalls«, fuhr Poseidonios fort, »passen diese Mythen zu einigen Überlieferungen, denen ich hier auf der Insel schon vor vielen Jahren nachgegangen bin – das von König Minos gegründete Reich herrschte früher auch über Rhodos. Damals hörte ich erstmals vom Buch der Zeit.«
    »Buch der Zeit?« Mein Blick wechselte zum Diskus. Aus irgendeinem Grund war er mir nicht geheuer. »So hat Hyrkan diese Tafel genannt. Warum heißt es nicht ›Weltenformelbuch‹ oder ›Buch des Kosmos‹?«
    »Hör dir den Prolog des Verfassers auf der Vorderseite an.« Poseidonios drehte die Scheibe um und fuhr mit dem gichtknotigen Zeigefinger die Schneckenlinie ab, die sich vom Zentrum nach außen wand. »›Willst du verstehen, dann läutere deinen Geist. Und bist du nicht unschuldig wie ein Kind, so lass ab von diesem Buch. Denn im Diskus gebannt ist der Mächtige, der die Zeit beherrscht …‹« Der Philosoph schüttelte den Kopf. »So kann das nicht stimmen. Die Übertragung ins Griechische lässt hier verschiedene Wiedergaben zu. Warte …!«
    Der Philosoph zog unter dem Diskus ein Blatt hervor, griff zum Federkiel, tauchte die Spitze in ein Tintenfass und strich den letzten Teil des gerade gelesenen Satzes. Dann kritzelte er eine korrigierte Fassung aufs Papyrus und murmelte dabei: »›… im Diskus gebannt ist die Macht, die die Zeit beherrscht.‹« Er nickte zufrieden. »So klingt es logischer, findest du nicht?«
    Ich hob unschlüssig die Schultern. Unbehaglich musterte ich die goldene Scheibe. »Und wenn es doch der Herrscher der Zeit ist, der im Buch steckt?«
    »Wer? Etwa Kronos? Sei nicht albern, Morvi. Der Vater des Zeus wird sich bestimmt nicht in ein so enges Gefängnis einsperren lassen. Geheimes Wissen dagegen lässt sich durchaus in solche Symbole bannen.« Poseidonios rieb sich nachdenklich das Kinn und murmelte: »Ich habe da gerade eine Idee. Könnte man die Weltenformel auf einen Mechanismus übertragen …«
    Plötzlich gingen seine Worte in einem ohrenbetäubenden Trommelwirbel aus Donnerschlägen unter. Lichtblitze schossen durch sämtliche Ritzen der hölzernen Faltwand ins Zimmer. Dem Geräusch nach peitschten sintflutartige Regengüsse das Haus, und Sturmböen schüttelten es so heftig, als wollten sie es aus den Fundamenten reißen.
    Ich bekam es mit der Angst zu tun. Nie zuvor hatte ich ein Unwetter von solcher Urgewalt erlebt. Fast noch unheimlicher erschien mir allerdings die Reaktion meines Lehrers.
    Sein Redefluss riss nicht ab. Mit aufgerissenen Augen entledigte sich Poseidonios hitzig seiner Gedanken. Ja, so sah es tatsächlich aus: Als bräche etwas aus ihm hervor, etwas Mächtiges und Vitales, das bis eben in seinem hinfälligen Körper gefangen war.
    Hatte er den Verstand verloren? Ich kannte seine Marotten. Wie die meisten Griechen hörte sich Poseidonios gerne reden und darüber konnte er durchaus alles um

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