Der verbotene Schlüssel
Bad, gerade dabei, sich das graue Polo über den Bauch zu ziehen. »Wer? Paki?«
»Quatsch! Agamemnon, dieser Verräter. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass ausgerechnet dieses Weichei so hintertrieben ist. Wenigstens hat er nicht bekommen, wonach er suchte. Hat Paki den Diskus und die Pläne sicher beim Ersten Bibliothekar abgeliefert?«
Theo spreizte die Arme und drehte sich einmal um seine Achse. Sophia fand, das neue Outfit stand ihm gut. »Wie sehe ich aus?«
»Neuzeitlich.«
»Das reicht mir, um nicht unnötig aufzufallen. Was deine Frage betrifft: Ja, die Sachen wurden in die Bibliothek eingelagert, aber sicher waren sie dort nicht.«
»Halt mal, ist die Alexandrinische Bibliothek nicht abgebrannt?«
Er nickte. »Und zwar schon sehr bald. Während Caesar gerade mit der hübschen jungen Kleopatra turtelte, übte ihr Bruder den Aufstand. Sein General ließ Brandgeschosse auf die Stadt niederprasseln und die Bibliothek fing Feuer. Hektisch versuchte man zu retten, was noch zu retten war, oder – aus Sicht eines gewissen Zenturios – zu stehlen, was sich noch stehlen ließ.«
»Dann hat jemand den Diskus geklaut?«
Theo nickte. »Ihn und die Konstruktionspläne. Ich kann nicht sagen, ob Oros ihn irgendwie dazu bewegt, oder ob der Zenturio sich nur einen großen Gewinn von der Beute erhofft hat, jedenfalls hat ein Dieb mich aus den Flammen gerettet.«
Sophia schluckte. »Du meinst, wenn die Zeichnung verbrannt und die Schriftzeichen aus der Scheibe herausgeschmolzen wären, hättest du dich aufgelöst?«
Er setzte sich wieder neben sie. »Vermutlich. Egal ob ein Stück Pergament oder ein menschliches Gehirn – der Herr der Zeit bindet sich an die materielle Welt. Vielleicht hätte der tönerne Abdruck, den ich für Agamemnons Reise nach Kreta angefertigt habe, mich gerettet. Ich bin froh, dass ich es nie herausfinden musste.«
Sie nickte. »Kann ich verstehen. Als du gerade von Poseidonios’ Traum erzähltest, da hast du den Namen einer Insel erwähnt, wo diese Wasserfontäne euer Schiff zerstört hat. Ei … Ich weiß nicht mehr. Irgendwas hat da in meinem Hinterkopf geklingelt.«
Theo neigte sich zurück und beäugte argwöhnisch die genannte Schädelregion. »Wirklich?«
Manchmal wusste Sophia nicht, ob er sie nur aufzog oder ob er tatsächlich so begriffsstutzig war. »Das ist eine Redensart.«
Er beugte sich wieder vor. »Ach so. Der Name der Insel ist Aigilia.«
»Kommt mir irgendwie bekannt vor. Weißt du mehr darüber?«
»Dein Großvater hat sie einmal erwähnt, als er mit mir sprach. Ole meinte, seine Schwester interessiere sich dafür und vergeude mit dem Projekt viel zu viel Zeit. Außerdem sagte er, die Griechen nennen sie heute Nísos Antikýthira.«
»Meine Großtante hat einen griechischen Namen?«
»Ich spreche von der Insel.«
»Antikythera?«, murmelte Sophia. Da gab es eine Erinnerung, die unter diesem Namen in ihrem Gedächtnisschrank abgelegt war, aber sie bekam die Schublade nicht auf.
»So wird es wohl hier ausgesprochen«, bestätigte Theo.
Sie bückte sich nach ihrem Notebook und stellte es wieder auf ihren Schoß. Während sie die Stichworte »Antikythera« und »Projekt« eintippte, murmelte sie: »Bist du inzwischen bei der Beantwortung der Fragen weitergekommen, die dir nach Agamemnons Verrat so bitter aufgestoßen sind?«
»Du meinst, warum Obal im Haus meines Meisters einen Fluchtweg offen ließ? Ich nehme an, es war gar nicht seine Absicht, Hyrkan an der Flucht zu hindern. Er wurde von dem Zenturio genauso benutzt wie Poseidonios. Der sollte ja den Diskus von Ys zugespielt bekommen, damit er ihn für Tigranes enträtselt. Hyrkan hatte seinen Zweck erfüllt und konnte Obal, seinem alten Rivalen aus Seeräuberzeiten, nur gefährlich werden.«
»Hm.« Vordergründig klang Theos Erklärung schlüssig, aber irgendetwas daran gefiel Sophia nicht. »Und warum ist dir Obal bis nach Alba Longa nachgejagt? Mit Poseidonios und Geminos konnte er seinem Auftraggeber Tigranes alles liefern, was er zum Bau der Weltenmaschine brauchte. Man dringt doch nicht ohne triftigen Grund in die streng bewachte Villa von Pompeius ein und entführt einen – wie sagtest du? – ›Barbarenbengel‹.«
»Darüber habe ich mir auch zweitausend Jahre lang den Kopf zerbrochen. Ich weiß es nicht.«
Sophia landete mit dem Zeigefinger auf der Enter-Taste. Als die Internetsuchmaschine eine halbe Sekunde später das Ergebnis ausspuckte, traute sie zunächst ihren Augen nicht. Zu
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