Der verbotene Schlüssel
ja sogar selbst eine Uhrmacherin …« Sophia fiel in sich zusammen. »Ich weiß ja nicht mal ihren Namen.«
Theo grinste. »Aber ich. Ole hat ihn mir gesagt. Sie heißt Lotta Kollin.«
»Ich wette, sie lebt auch irgendwo unter einem Pseudonym«, brummte Sophia.
»Kannst du nicht deine kluge Kiste fragen?«
»Klar. Leider weiß die auch nicht alles.« Missmutig tippte sie den Namen in ihren Computer ein, rechnete nach dem Absetzen der Anfrage mit einer Million Antworten, bekam aber keine einzige. Sie seufzte. »Vielleicht ist sie schon tot wie …« Der Gedanke an ihre Eltern schnürte ihr die Kehle zu.
Theo schüttelte den Kopf. »Nur weil deine Luftbibliothek sie nicht kennt? Mir scheint, ihr modernen Menschen habt schon sämtliche Verbindungen zur richtigen Welt gekappt und existiert nur noch – wie hieß das noch gleich? – virtuell. Irgendwie kommt mir das komisch vor: Der Stundenwächter will sich mit aller Gewalt an die Materie binden und ihr strebt nach einer Existenz im Nichts.«
Sophia schwieg. Sie wollte lieber nicht sagen, dass viele ihrer Altersgenossinnen den größten Teil ihrer freien Zeit in virtuellen Welten verbrachten und sich dort durch Avatare vertreten ließen. Manche sahen aus wie geflügelte, leicht bekleidete Barbiepuppen nach einer schönheitschirurgischen Rundumerneuerung, andere gefielen sich als geifernde Monster mit Superkräften.
»Worüber denkst du nach?«, fragte Theo.
Anstatt zu antworten, zog sie das Handy aus der Tasche, unterbrach die Internetverbindung und wählte die Mobilrufnummer von Doktor Anton Sibelius.
»Hallo?« Der Notar meldete sich anonym.
»Hier ist Sophia Kollin. Entschuldigen Sie die Störung, Doktor Sibelius. Ich hätte da noch eine Frage. Mein Opa Ole hatte doch eine Schwester, meine Großtante.«
»Das ist mir bekannt.«
Sie schöpfte Hoffnung. Beiläufig bemerkte sie, wie Theo sie entgeistert ansah, weil sie scheinbar mit einem unsichtbaren Gegenüber sprach. Sie schaltete das Handy auf Freisprechen um. »Können Sie mir sagen, unter welchem Namen ich sie wo finden kann?«
»Tut mir leid, mein Kind«, hallte die sonore Stimme des Notars aus dem kleinen Telefonlautsprecher. »Das hat er mir nie gesagt. Du weißt ja inzwischen, was für ein Geheimniskrämer er war.«
Und schon zerstoben die Hoffnungströpfchen wieder wie Gischt im Sturm.
»Bist du noch dran, Sophia?«, fragte Sibelius.
»Ja«, brummte sie.
»Mir fällt da eben etwas ein. Dein Großvater regte sich einmal furchtbar darüber auf, dass seine Schwester ihre Zeit mit einer Sache verplempere, bei der am Ende nichts Gescheites herauskommen könne.«
Sophia nickte. Sie hatte auch gerade das Gefühl, in so einer Sache drinzustecken. Als ihr bewusst wurde, dass Sibelius sie nicht sehen konnte, sagte sie: »Hat er gesagt, worum es dabei ging?«
»Ja. Sie hatte sich dafür engagiert, einen antiken Mechanismus rekonstruieren zu lassen. Der Name ist mir entfallen.«
»Weltenuhr?«
»Nein, das hätte ich mir gemerkt.«
»Kosmischer oder astronomischer Mechanismus?«
»Auch nicht.«
»Horolog?«
»Von einem Horoskop war bestimmt nicht die Rede.«
»Ich habe Horolog gesagt«, wiederholte Sophia gepresst.
»Ach, einen simplen Zeitmesser meinst du? Nein, der Name war viel spezieller.«
»Uhr-Ei oder Weltenmaschine vielleicht.«
»Nein, es war etwas Griechisches, glaube ich.«
»Der Mechanismus von Antikythera«, sagte Theo spontan.
»Ja!«, hallte es aus dem Lautsprecher. »Genau so hieß er. Wer hat da eben gesprochen?«
»Ein keltischer Freund.«
»Ach so. Mehr weiß ich leider auch nicht über deine Tante, Kind. Kann ich sonst noch etwas für dich tun?«
»Nein … Doch! Wenn ich nicht mit dem Flugzeug oder der Bahn reisen will, welche Möglichkeit gibt es noch?«
»Seltsame Frage. Du könntest dir ein eigenes Auto kaufen, ohne dass es dir wehtut.«
»Mit vierzehn darf man noch keinen Führerschein machen, Doktor Sibelius.«
Ein Kichern drang aus dem Handy. »Daran habe ich gar nicht gedacht. Probier es doch mal bei der Mitfahrzentrale. Du weißt schon: Irgendwelche Leute fahren mit dem Auto von A nach B, registrieren ihre Reise vorher bei der Zentrale, und wenn sich jemand mit dem gleichen Ziel meldet und sich an den Kosten beteiligen will, dann nehmen sie ihn mit. Der Dienst wird gerne von Studenten gebucht, weil er billig ist.«
»Prima Idee! Danke, Doktor. Wiederhören.«
Theo schüttelte den Kopf. »Also viel habe ich davon nicht verstanden.«
»Ich erklär’s
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