Der verbotene Turm - 11
nahm er wahr, wenn auch undeutlicher, wie sie Andrew und Ellemir in den Kreis holte. Einen Augenblick lang entspannte Damon sich in dem Gef ü hl, sie alle in der engsten Verbindung, die ü berhaupt m ö glich war, um sich zu haben. Er erkannte, dass er Callista jetzt n ä her war als irgendjemand anders in der Welt. N ä her als Ellemir, deren K ö rper er so gut kannte, deren Gedanken er geteilt hatte, die f ü r so herzzerreißend kurze Zeit ihr gemeinsames Kind getragen hatte. Callista aber war ihm nahe wie ein Zwilling seinem ungeborenen Zwilling, und Ellemir befand sich in einiger Entfernung. Hinter ihr sp ü rte er Andrew als einen Riesen, einen Felsen der Kraft, der sie sch ü tzte, der sie bewachte .
Die Mauern ihres Schutzortes schlossen sich um sie. Es war das astrale Gebilde, das er bei der Heilung der M ä nner mit den Erfrierungen gebaut hatte. Dann war er mit diesem merkw ü rdigen Ruck nach oben in der ü berwelt, und er sah, wie die W ä nde rings um sie Gestalt annahmen. Als er das Bauwerk mit Andrew und Dezi geschaffen hatte, ä hnelte es einer Schutzh ü tte f ü r Reisende aus rauem
braunem Stein, vielleicht aus dem Grund, weil er es als kurzfristige Unterkunft betrachtete. Bauwerke in der ü berwelt waren das,
was man sich unter ihnen vorstellte. Nun stellte Damon fest, dass die rauen Steine glatt und schimmernd geworden waren, und unter seinen F ü ßen befand sich ein schieferfarbener Steinfußboden, nicht un ä hnlich dem in Callistas kleinem Destillierraum. Von da, wo er im Gr ü n und Gold seiner Dom ä ne stand, konnte er eine Reihe von Einrichtungsgegenst ä nden sehen. Sie wirkten merkw ü rdig transparent und unstofflich, aber Damon wusste, wenn er versuchte, sich auf einen Sessel zu setzen, w ü rde er sofort Festigkeit und Stabilit ä t gewinnen. Außerdem w ä re er bequem und bezogen mit dem Material, das er sich w ü nschte – Samt oder Seide oder Fell, ganz nach Lust und Laune. Auf einem der Sessel lag Callista, und auch sie war jetzt noch transparent und w ü rde w ä hrend der Dauer ihres Aufenthalts feste Gestalt annehmen. Andrew und Ellemir waren undeutlicher zu erkennen. Sie schliefen auf Ruhebetten, denn sie waren nur in seinen Gedanken, aber nicht mit ihrem eigenen Bewusstsein in der ü berwelt. Doch ihre Gedanken, die Callista ihm zuleitete, waren klar und kraftvoll. Hier waren sie passiv und ü bertrugen nur ihre St ä rke auf Damon. Er ließ sich eine Weile treiben und genoss den ihn tragenden Kreis. Diesmal brauchte er sich nicht bis zur v ö lligen Ersch ö pfung zu verausgaben. Callista hielt F ä den gleich einem Spinngewebe in ihren H ä nden, und Damon wusste, das war die Art, wie sie die Kontrolle uber seinen in der stofflichen Welt liegenden K ö rper visualisierte. Wenn seine Atmung versagte, wenn sein Kreislauf unter der verkrampften Haltung litt, wenn es ihn auch nur irgendwo juckte, was seine Konzentration hier in der ü berwelt st ö ren konnte, w ü rde sie den Schaden beheben, lange bevor er selbst etwas davon merkte. Von Callista bewacht, war sein K ö rper hier im Schutz ihrer Landmarke sicher.
Aber er durfte nicht l ä nger verweilen. Kaum hatte er das gedacht, als er sich auch schon durch die nicht f ü hlbaren Mauern des Geb ä udes bewegte. Seine Gedanken schufen einen Ausgang, obwohl ein Außenseiter nicht einmal h ä tte eintreten k ö nnen. Dann stand
er draußen auf der grauen, gestaltlosen Ebene der ü berwelt. In der
Ferne erkannte er die Spitze des Arilinn-Turms oder vielmehr das Duplikat jenes Turms in der ü berwelt.
Vielleicht schon seit tausend Jahren hatten die Gedanken jedes Psi-Technikers, der sich in der ü berwelt bewegte, Arilinn als eindeutige Landmarke geschaffen. Warum war der Turm so weit entfernt? Dann fiel Damon ein, warum das so war: Es war Callistas Vorstellung, die ebenso wie seine am Werk war, und ihr schien Arilinn in der Tat sehr weit entfernt zu sein. Aber hier in der ü berwelt hatte der Raum keine Realit ä t, und in Gedankenschnelle stand er vor den Toren von Arilinn.
Er war von hier vertrieben worden. Konnte er jetzt hineingelangen, wenn er es versuchte? Mit diesem Gedanken war er drinnen. Er stand auf den Stufen des ä ußeren Hofes, vor ihm Leonie in ihrer karminroten Robe, verschleiert.
Ich weiß, warum du gekommen bist, Damon. Ich habe ü berall nach den Aufzeichnungen, die du haben m ö chtest, gesucht, und in diesen Tagen habe ich mehr ü ber die Geschichte von Arilinn gelernt als je zuvor. Mir war
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