Der verbotene Turm - 11
bekannt gewesen, dass in der Fr ü hzeit der T ü rme viele Bewahrer Emmasca waren, von Chieri-Blut, weder Mann noch Frau. Dagegen wusste ich nicht, dass sp ä ter, als solche Geburten seltener wurden, weil sich die Chieri nicht mehr so oft mit den Menschen paarten, einige der ersten Bewahrerinnen zu Neutren gemacht wurden, um jenen Emmasca ä hnlich zu sein. Wusstest du, Damon, dass manchmal nicht nur zu Neutren gemachte Frauen, sondern auch kastrierte M ä nner als Bewahrer eingesetzt wurden? Welche Barbarei!
Und nicht notwendig , meinte Damon. Jeder halbwegs f ä hige Psi-Techniker kann den gr ö ßten Teil der Arbeit einer Bewahrerin tun und braucht daf ü r keinen h ö heren Preis zu zahlen als ein paar Tage der Impotenz.
Leonie l ä chelte schwach. Es gibt viele M ä nner, die selbst diesen Preis f ü r zu hoch halten, Damon.
Damon nickte. Er dachte an seinen Bruder Lorenz und die geringsch ä tzige Art, mit der er Damon Halb M ö nch, halb Eunuche genannt hatte.
Was nun die Frauen betrifft , fuhr Leonie fort, so entdeckte man, dass eine Bewahrerin kein Neutrum zu sein braucht, obwohl die Ausbildungstechniken, die wir anwenden, damals noch nicht bekannt waren. Es gen ü gte, die Kan ä le st ä ndig sauber zu halten, so dass sie keine anderen als die Psi-Impulse bef ö rderten. Aber unsere heutige Zeit h ä lt eine Frau schon dadurch f ü r wesentlich beeintr ä chtigt. Leonies Gesicht verzog sich ver ä chtlich: Ich glaube, das war nur der Stolz der Comyn-M ä nner, nach deren ü berzeugung die wertvollste Eigenschaft einer Frau ihre Fruchtbarkeit, ihre F ä higkeit, das m ä nnliche Erbgut weiterzugeben, ist. Sie erhoben Einspruch gegen jede Minderung der Geb ä rf ä higkeit einer Frau.
Damon sagte mit leiser Stimme: Es bedeutete außerdem, dass ein junges M ä dchen, wenn es den Wunsch versp ü rte, Bewahrerin zu werden, keine Entscheidung mehr f ü r das ganze Leben f ä llen musste, bevor es wirklich wusste, was es sich damit auflud.
Leonie ging nicht darauf ein. Du bist ein Mann, Damon, und ich rechne nicht damit, dass du das verstehst. Den Frauen sollte damit die schwere B ü rde der Entscheidung erspart werden. Pl ö tzlich brach ihre Stimme. Glaubst du, mir w ä re es nicht lieber gewesen, das alles w ä re in meiner Kindheit sauber aus mir herausgeschnitten worden, als dass ich mein ganzes Leben als Gefangene verbringen musste, wissend, dass ich den Schl ü ssel zu meinem Gef ä ngnis in H ä nden hatte und nur mein Eid, meine Ehre, das Wort einer Hastur mich drinnen hielten! Damon konnte nicht entscheiden, ob es Kummer oder Zorn war, der ihre Stimme zittern ließ. Wenn es nach meinem Willen ginge, wenn ihr Comyn-M ä nner euch nicht wegen der kostbaren Geb ä rf ä higkeit der Frauen so anstellen w ü rdet, ließe ich jedes kleine M ä dchen, das in den Turm kommt, sofort Neutrieren. Danach k ö nnte sie als Bewahrerin gl ü cklich sein und brauchte die Last der Weiblichkeit nicht zu tragen. Sie w ä re frei von Schmerzen und frei von der Qual, dass sie niemals ein f ü r alle Mal ihre Wahl treffen kann, sondern sich an jedem Tag ihres Lebens neu entscheiden muss.
Du w ü rdest sie zu lebensl ä nglichen Sklavinnen des Turms machen?
Leonies Stimme war beinahe unh ö rbar, aber f ü r Damon h ö rte sie sich wie ein Aufschrei an. Glaubst du, wir seien keine Sklavinnen? Leonie, Leonie, wenn du so dar ü ber denkst, warum hast du es all diese Jahre ertragen? Es waren andere da, die dir die B ü rde von den Schultern h ä tten nehmen k ö nnen, wenn sie f ü r dich zu schwer wurde.
Ich bin eine Hastur , erkl ä rte sie, und ich habe geschworen, mein Amt nicht niederzulegen, bis eine neue ausgebildete Bewahrerin zur Verf ü gung steht. Meinst du, ich h ä tte es nicht versucht? Sie sah ihm gerade ins Gesicht, und Damon kr ü mmte sich unter der erinnerten Qual. Denn in der ü berwelt erschien Leonie so, wie seine Gedanken sie formten, und nun stand die Leonie seiner ersten Jahre im Turm vor ihm. Er w ü rde nie erfahren, ob irgendein anderer Mann sie f ü r sch ö n hielt, aber f ü r ihn war sie hinreißend sch ö n und begehrenswert, und in ihren schlanken H ä nden hielt sie sein Leben . Er wandte sich ab und k ä mpfte darum, sie wieder so zu sehen, wie sie ihm zuletzt im Fleisch erschienen war, damals bei seiner Hochzeit: eine alternde Frau, ruhig und selbstbeherrscht, die Zorn und Rebellion l ä ngst hinter sich gelassen hatte.
Ich dachte, du seiest zufrieden mit der Ehrerbietung, die dir
Weitere Kostenlose Bücher