Der verbotene Turm - 11
hrend ihrer unglaublich schwierigen und anstrengenden Arbeit – und in jener Zeit, der hohen Zeit der T ü rme, war sie weit anstrengender als heute gewesen – eine zwingende Notwendigkeit. Doch das Ritual hatte ihr erlaubt, sich periodisch ihrer normalen Menschlichkeit wieder bewusst zu werden und die Instinkte und W ü nsche ihrer Mitmenschen zu teilen.
Wann hatten sie das Ritual aufgegeben? Und, wichtiger noch: Warum hatten sie es aufgegeben? Hatte es irgendwann im Zeitalter des Chaos zu Ausschweifungen gef ü hrt? Aber ob aus guten oder schlechten Gr ü nden, es war in Vergessenheit geraten und mit ihm das Wissen, wie f ü r hochgradige Psi-Arbeit blockierte Kan ä le wieder befreit werden konnten. Die Bewahrerinnen wurden zwar nicht mehr zu Neutren gemacht, aber gezwungen, sich einer unmenschlichen Konditionierung zu unterziehen. So lag die Macht der Bewahrerinnen in den H ä nden der Frauen, die im Stande waren, sich von ihren Instinkten und Begierden vollst ä ndig zu l ö sen.
W ä hrend Damon durch die Jahre zur ü ckeilte, meinte er, in sich alles Leiden dieser M ä nner und Frauen zu sp ü ren, die ü ber ihr Versagen verzweifelten, weil sie sich doch nicht v ö llig von menschlichen Regungen hatten freimachen k ö nnen. Und diejenigen, die Erfolg hatten, mussten sich unm ö gliche Maßst ä be setzen, unmenschliche Disziplin halten, sich sogar von ihren eigenen Kreisen absondern. Aber welche Wahl hatten sie gehabt?
Und jetzt w ü rden sie wieder entdecken, was das alte Ritual h ä tte bewirken k ö nnen .
Damon sah Callista nicht an, aber er f ü hlte, wie ihre starre Haltung schmolz, die k ö rperliche Verkrampfung sich lockerte, die Anspannung wie Wasser aus ihr davon floss. Sie war in einen Sessel gesunken. Damon drehte sich um und sah, dass sie l ä chelte, sich reckte wie eine Katze und f ü r Andrew ihre Arme ausbreitete. Andrew kam und kniete sich neben sie. Wehm ü tig dachte Damon an das entz ü ckende Kind im Turm, das Tag um Tag mehr von seiner bezaubernden Spontaneit ä t verlor, die sich langsam in spr ö des, angespanntes Schweigen verwandelte. Das Herz tat ihm weh, als er jetzt ein bisschen von diesem Kind in dem s ü ßen L ä cheln wieder fand, das Callista Andrew schenkte. Andrew k ü sste sie, erst z ö gernd, dann mit wachsender Leidenschaft. Als der vierfache Rapport sich um sie zu weben begann, nahmen sie f ü r einen Augenblick alle an dem Kuss teil. Aber Andrew, dessen eigene Hemmungen von dem Kireseth abgebaut waren, ging ein bisschen zu schnell vor. Seine Arme schlossen sich fester um Callista, er dr ü ckte sie an sich, und das st ä rker werdende Fordern seiner K ü sse machte ihr Angst. In pl ö tzlicher Panik riss sie sich von ihm los, stieß ihn mit der ganzen Kraft ihrer Arme weg. Ihre Augen waren weit aufgerissen vor Furcht.
Damon sp ü rte die doppelte Struktur ihrer Angst: Teils f ü rchtete sie, das, was zuvor geschehen war, k ö nne wieder geschehen, der Reflex, den sie nicht zu kontrollieren vermochte, werde Andrew treffen, ihn verletzen, t ö ten; teils f ü rchtete sie ihre eigene Erregung, die ihr fremd und ungewohnt war. In ihren Augen lag etwas wie Entsetzen, als sie Andrew ansah. Dann wanderte ihr Blick zu Damon hin ü ber und nahm einen Ausdruck bet ä ubter Hilflosigkeit an.
Ellemirs Gedanken bewegten sich rasch durch den wachsenden Rapport. Habt ihr vergessen, wie jung sie ist?
Andrew starrte sie verst ä ndnislos an. Schließlich war Callista ihre Zwillingsschwester!
Ja, und nach so vielen Jahren als Bewahrerin ist sie in mancher Beziehung ä lter als ich, aber all das ist jetzt aus ihrem Geist verschwunden. Sie ist im Grunde das kleine M ä dchen von dreizehn, das in den Turm geschickt wurde. F ü r sie ist Liebe immer noch verbunden mit Schmerz und Entsetzen und dem Wissen, dass sie dich beinahe get ö tet h ä tte. Sie hat nichts Sch ö nes, an das sie sich erinnern kann, ausgenommen ein paar K ü sse in dem Blumenfeld. ü berlass sie ein Weilchen mir, Andrew.
Widerstrebend zog sich Andrew von Callista zur ü ck. Ellemir legte einen Arm um die Schultern ihrer Zwillingsschwester. Sie brauchten nicht laut miteinander zu sprechen, und sie machten sich die M ü he auch nicht.
Komm mit mir, Liebling, es kann ihnen nicht schaden, zu warten, bis du bereit bist. Sie f ü hrte Callista in den inneren Raum. Dies ist deine wirkliche Hochzeitsnacht, Callista, und dabei wird es keine dummen Streiche und schmutzigen Witze geben.
Gehorsam wie ein Kind – und
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