Der Verehrer
hatte Fingerabdrücke auf der äußeren Klinke der in den Garten führenden Küchentür gefunden, die weder Leona noch Paul noch Wolfgang gehörten. Auf der inneren Klinke befanden sich nur Pauls Abdrücke. Weissenburger hatte Leona seine Theorie dargelegt, ohne zu wissen, daß er ziemlich genau ins Schwarze traf.
»Wir vermuten, daß die Küchentür offenstand. Schließlich hatte Ihr Schwager gerade sämtliche Küchenschränke gestrichen. Im allgemeinen verriegelt man einen solchen Raum anschließend nicht hermetisch, stimmt’s? Da das Fenster fest verschlossen war, hat er also vermutlich die Tür offengelassen. Es war ja ein sehr warmer Tag, ein milder Abend. Er hat dann im Wohnzimmer ferngesehen, etwas gegessen und ein Bier getrunken, wie der laufende
Apparat, ein leerer Teller und das Bierglas belegen. Irgendwann hörte er ein Geräusch. Es schien ihm aus der Küche zu kommen, also ging er dorthin, um nachzusehen. Und traf auf den Einbrecher, der sofort zuschlug. Sodann verließ der Täter die Küche wieder in den Garten hinaus und zog die Tür hinter sich ins Schloß – daher seine Fingerabdrücke auf der Klinke.«
»Wenn es sich tatsächlich um einen Einbrecher handelte«, hatte Leona erwidert, »warum hat er dann nicht, nachdem Paul kampfunfähig war, das Haus ausgeräumt? Wenigstens irgend etwas mitgehen lassen?«
»Sie sind nach wie vor sicher, daß nichts fehlt?«
»Ich war mir während unseres ersten Gespräches nicht sicher. Jetzt bin ich es. Es wurde nichts gestohlen.«
»Nun, dann vermute ich, der Einbrecher hat die Nerven verloren. Er ist überrascht worden. Er hat einen Mann niedergeschlagen. Vielleicht hielt er ihn sogar für tot. Einbruch ist eine Sache, Mord eine andere. Er hat gemacht, daß er fortkam.«
»Sie überprüfen aber Robert Jablonski, ja? Seine Fingerabdrücke …«
»Wir wissen nicht, wessen Fingerabdrücke auf der Türklinke das sind. Sie sind nicht im Polizeicomputer gespeichert. Wir wissen nur, daß es nicht Ihre, die Ihres Mannes oder Ihres Schwagers sind.«
»Bestimmt sind noch irgendwo im Haus Fingerabdrücke von Robert«, sagte Leona, »schließlich hat er monatelang hier gewohnt. Aber seitdem ist dreimal die Putzfrau durch alle Räume gegangen. Es wäre schwierig, etwas zu finden.«
»Wir können nicht jeden Winkel des Hauses erkennungsdienstlich untersuchen. Auf einen bloßen Verdacht hin.«
Weissenburger gab deutlich zu erkennen, daß er Leonas Verdacht hinsichtlich Robert nach wie vor nicht teilte.
»Auf der Hantel befinden sich übrigens keine Fingerabdrücke«, fügte er hinzu. »Er muß Handschuhe getragen haben, die er aber auszog, ehe er das Haus wieder verließ. «
»Warum?«
»Was?«
»Warum zog er die Handschuhe aus? Ihm mußte klar sein, daß er dann Abdrücke auf der Türklinke hinterlassen würde.«
»Er war in Panik, wie ich schon sagte. Er …«
»Nein«, unterbrach Leona, »er war mit Sicherheit keinen Moment lang in Panik. An irgendeiner Stelle wollte er eine Spur hinterlassen. Letzten Endes möchte er, daß ich weiß, daß er es ist.«
Weissenburgers Miene hatte soviel Skepsis ausgedrückt, daß Leona rasch nachgehakt hatte: »Sie werden Robert aber überprüfen?«
»Wir werden die Schweizer Kollegen bitten, seine Papiere zu prüfen und ihn zu fragen, wo er sich zur Tatzeit aufgehalten hat. Ehrlich gesagt, verspreche ich mir davon nicht allzuviel, aber ich habe trotzdem die entsprechenden Schritte eingeleitet.«
Großartig, wenn jemand seinen Job so engagiert macht wie Weissenburger, hatte Leona zynisch gedacht. Der Mann hat wirklich einen echten Jagdhundinstinkt.
An all dies dachte sie, während sie an diesem regnerischen Dienstagabend auf der Intensivstation stand und den leblosen Körper betrachtete, der einmal der vitale, kräftige Paul gewesen war.
Bitte, stirb nicht, bat sie ihn lautlos, gib nicht auf!
Eine Schwester, die gerade vorbeikam, lächelte ihr zu.
»Sie sehen ja ganz schön elend aus«, meinte sie. »Möchten Sie einen Kaffee?«
»Nein, vielen Dank. Ich kann dann nicht schlafen.« Sie starrte wieder durch die Scheibe.
Die Schwester folgte ihrem Blick. »Sie dürfen den Mut nicht verlieren«, sagte sie, »er hat durchaus Chancen, es zu schaffen.«
»Meinen Sie?«
»Er ist sehr, sehr schwer verletzt, aber grundsätzlich hat er eine stabile Konstitution. Sein Körper ist kräftig und sportlich. Verstehen Sie, die Voraussetzungen könnten schlechter sein.«
»Ja, sicher«, murmelte Leona.
Die Schwester nahm ihren
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