Der Verehrer
Gesicht lief.
»Paul!« beschwor ihn Carolin nervös.
»Irgend etwas will er unbedingt loswerden«, meinte Wolfgang.
Er sah den gequälten Ausdruck in Pauls Augen, und plötzlich meinte er zu begreifen.
»Leona ist in Sicherheit, Paul«, sagte er, »du mußt dir keine Gedanken machen. Ihr kann nichts passieren.«
Pauls Züge entspannten sich. Sein Atem ging ruhiger.
Carolin nahm ein Taschentuch von seinem Nachttisch und tupfte ihm damit den Schweiß von der Stirn.
»Er ist ein viel netterer Mensch, als ich immer dachte«, sagte sie. »Sogar in seinem schrecklichen Zustand macht er sich noch Sorgen um Leona.«
» Gerade in seinem Zustand, Carolin. Niemand weiß besser als er, was Leona blühen würde, fiele sie in Roberts Hände.«
»Offenbar hat er Robert erkannt bei dem Überfall.«
»Oder ihm ist klar, daß er es gewesen sein muß.« Mit gespielter Zuversicht fügte Wolfgang hinzu: »Gott sei Dank müssen wir wirklich keine Angst mehr haben.«
Carolin sah ihn zweifelnd an, sagte aber nichts. Die Tür ging auf, und die Schwester kam herein.
»Ich muß Sie jetzt beide leider bitten zu gehen«, sagte sie, »es wird sonst zu anstrengend für den Patienten.«
»Natürlich«, sagte Carolin. »Es war unheimlich nett von Ihnen, mir eine halbe Stunde zu lassen. Ich weiß, das ist mehr, als der Arzt erlaubt hat.«
»Mir ist klar, daß Sie einen weiten Weg haben«, sagte die Schwester, »aber leider muß jetzt trotzdem Schluß sein.«
Draußen auf dem Gang fragte Wolfgang: »Willst du heute noch nach Lauberg zurück? Du kannst gerne bei mir übernachten.«
»Danke. Aber Felix wird zur Zeit weinerlich, wenn er ohne mich einschlafen muß. Ich habe noch zwei Stunden, bis mein Zug fährt. Wollen wir einen Kaffee zusammen trinken?«
Sie landeten in einem Café unweit des Krankenhauses. Carolin bestellte sich einen Espresso. Wolfgang hatte den Eindruck, etwas für seine Nerven zu brauchen. Er wählte einen Malt-Whisky.
Nachdem sie ihre Getränke vor sich stehen hatten, kam Carolin umgehend zur Sache.
»Ich bin wirklich froh, dich getroffen zu haben, Wolfgang. Ich mache mir Sorgen um Leona. Von dir haben wir ja immer eine softe Version der Ereignisse geliefert bekommen, aber spätestens seitdem Fahndungsfotos in der Zeitung erschienen sind, wissen wir, mit welcher Art Mann sich Leona eingelassen hat.« Sie musterte ihn streng. »Ihr hättet uns gleich nach dem Überfall auf Paul reinen Wein einschenken müssen. Meine Eltern finden das auch. So wie es jetzt gelaufen ist, haben wir die Wahrheit scheibchenweise erfahren, und das war letztlich viel quälender, als wenn es uns mit einem Schlag getroffen hätte.«
»Tut mir leid. Aber wir wußten ja zuerst selbst nicht, welches Ausmaß die ganze Geschichte annehmen würde. Wir wollten euch einfach nicht unnötig ängstigen.«
»Nun hält sich Leona irgendwo versteckt, und wir alle fragen uns, wie lange das, um alles in der Welt, gehen soll!«
»Die Polizei wird Jablonski fassen.«
»Wann?«
Wolfgang leerte seinen Whisky in einem Zug und winkte dem Kellner. Er brauchte dringend einen zweiten. »Gott,
Carolin, woher soll ich das wissen? Ich hoffe, bald. Ich bete darum. Aber ich selber kann sonst ja gar nichts tun.«
»Ich hatte bei Robert ein verdammt ungutes Gefühl«, sagte Carolin. »Leider noch nicht an Weihnachten, obwohl ich nicht weiß, ob es etwas genützt hätte, Leona damals schon zu warnen. Sie war ja vernarrt in ihn. Sie hätte sich nicht getrennt von ihm. Abgesehen davon: Selbst wenn sie es getan hätte, sie wäre womöglich in genau dem gleichen Schlamassel gelandet wie jetzt.«
»Vermutlich. Vom ersten Tag an hatte sie keine Chance mehr, ihn zu verlassen, ohne daß ein Unglück passiert.«
»Wie geht es ihr eigentlich? Du telefonierst doch regelmäßig mit ihr.«
Wolfgang zuckte mit den Schultern. »Wie soll es ihr schon gehen? Sie ist in einer scheußlichen Lage, und das zermürbt sie natürlich immer mehr. Sie ist herausgerissen aus ihrem normalen Leben und hat keine Ahnung, wie lange dieser Ausnahmezustand dauern wird. Es tut mir in der Seele weh, ihr letzten Endes nicht helfen zu können. «
»Weißt du«, sagte Carolin, »vielleicht braucht sie zwischendurch etwas Aufmunterung. Es ist nicht gut, daß sie ständig allein ist. Meinst du nicht, ich sollte sie vielleicht einmal besuchen? Es würde sie bestimmt aufbauen.«
»Aber wir hatten doch vereinbart, daß es besser ist, wenn außer mir …«
»Wenn nur du ihren Aufenthaltsort kennst, ja.
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