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Der Verehrer

Der Verehrer

Titel: Der Verehrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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nichts. So wie ich gelebt habe in den letzten zwei Wochen – da erscheint einem selbst kalter Kaffee noch als reiner Luxus. Außerdem wirst du mir nachher einen frischen, heißen machen, nicht wahr?«
    »Ja«, flüsterte sie.
    Er aß mit großem Appetit sein Brötchen, griff dann nach einem zweiten. Sein Gestank erfüllte inzwischen das ganze Zimmer, aber das merkte er entweder nicht, oder es störte ihn nicht.
    Unvermittelt fragte er: »Wie ist es – hast du eigentlich dein Auto noch?«
    Lydia empfand die Frage als so überraschend, daß sie zunächst völlig perplex reagierte.
    »Was?«
    »Dein Auto. Du hattest doch immer eines. Gibt es das noch?«
    »Ja. Ja, natürlich.«
    »Dürfte ich es mir ausleihen?«
    Angesichts der Tatsache, daß er fünfzehn Minuten zuvor gedroht hatte, sie umzubringen, klang diese Frage nun fast grotesk höflich.
    Lydia schöpfte Hoffnung, auch wenn sie wußte, seine Bitte war rein rhetorischer Natur; er würde sich das Auto nehmen, ob sie einwilligte oder nicht. Aber vielleicht war es wirklich nur das, was er wollte, weswegen er hier war. Sowie er das Auto hatte, würde er verschwinden und sie in Ruhe lassen.
    »Selbstverständlich können Sie das Auto haben«, sagte sie eifrig und stand auf. »Ich hole Ihnen gleich den …«

    »Hinsetzen!« befahl er, ohne sie anzublicken. »So schnell schießen die Preußen nicht!«
    Eingeschüchtert sank sie wieder auf ihren Platz. Er nahm den letzten Bissen, wischte sich die Krümel vom Kinn.
    »Ich muß mich erst wieder menschlich herrichten«, erklärte er. »Ein Schaumbad wäre, denke ich, das richtige. Wo steht deine Waschmaschine?«
    »Im Bad.«
    »Sehr gut. Im Keller wäre es sehr schwierig geworden. Vielleicht könnte es auch nichts schaden, wenn ich mir die Haare etwas schneide. Was meinst du?«
    »Das könnte nicht schaden«, wiederholte sie wie eine folgsame Schülerin, während sich die Gedanken in ihrem Kopf jagten. Er wollte baden? Wäsche waschen? Sich die Haare schneiden? Was sollte sie in dieser Zeit tun? Hier sitzen und warten, bis er fertig war? Wenn er in seinem Schaumbad saß, hatte sie jede Gelegenheit der Welt, sich auf und davon zu machen.
    Fünf Minuten später hatte sie die Antwort auf alle unausgesprochenen Fragen. Gefesselt und geknebelt, zusammengeschnürt zu einem unbeweglichen, stummen Paket lag sie auf dem Sofa in ihrem Wohnzimmer, hilflos wie ein gestrandeter Fisch, und hörte, wie Robert Jablonski im Bad nebenan fröhlich vor sich hin pfiff.
    7
    Ich sitze in Lydias gepflegtem Wohnzimmer am Eßtisch und schreibe. Das Frühstücksgeschirr habe ich zur Seite geschoben, aber ab und zu tunke ich einen Löffel in die Aprikosenmarmelade und lecke ihn dann genießerisch ab.
Ich hatte ja keine Ahnung, wie sehr ich die Zivilisation vermißt habe! Es ist ein herrliches Gefühl, frisch gebadet zu sein, sich sauber zu fühlen am ganzen Körper. Ziemlich dilettantisch, aber eigentlich gar nicht so schlecht, habe ich mir die Haare geschnitten, sie natürlich auch gewaschen und dann gefönt, und nun glänzen sie wie dunkelbraune Seide. Ich habe mich rasiert und sehe wie ein neuer Mensch aus. Allmählich nähere ich mich dem Zustand, in dem ich es wagen kann, vor Leona hinzutreten, ohne dabei zu riskieren, daß sie umfällt vor Schreck. Ich fürchte allerdings, erschrecken wird sie so oder so, aber wenigstens nicht wegen meines Aussehens. Das würde mich in meiner Eitelkeit doch schwer kränken.
    Meine Kleider trocknen in der Sonne auf dem Balkon. So warm, wie es heute ist, kann ich sie bestimmt abends schon wieder anziehen. Zweimal bin ich bereits hinausgegangen, habe meine Nase in den Stoff gedrückt und den herrlichen Geruch des Waschpulvers geatmet. Im Augenblick könnte ich in schönen Dingen förmlich ertrinken, endlich befreit von dem Pennergestank, der mich tagelang umgab. Ich habe sogar Lydias Deostift benutzt, trotz der femininen Duftnote. Morgen werde ich mir einen eigenen kaufen. Und ein schönes Aftershave und frische Wäsche. Und was mir noch so einfällt. Ich habe Lydias Handtasche umgestülpt. Immerhin fast fünfhundert Mark hat sie im Geldbeutel und – was noch besser ist – ihre Scheckkarte. Die Geheimnummer wird sie mir verraten, da bin ich sicher, wenn ich ihr sage, daß ich sonst wiederkomme und was ich dann mit ihr mache.
    Ich habe sie mit den Wäscheleinen, die über der Badewanne gespannt waren, gefesselt; so gründlich, daß sie sich garantiert nicht wird befreien können. Ich habe ihr Heftpflaster kreuz

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