Der Verehrer
Freunde, der einen Beruf ausübt!«
Leona lachte. »Unsere Eltern würden es nicht glauben. Gefällt er dir denn?«
»Ich finde ihn sehr nett. Allerdings kann er überhaupt nicht tanzen. Er ist völlig unmusikalisch.«
»Ich finde, das ist der geringste Fehler, den ein Mann haben kann«, meinte Leona.
»Nächstes Wochenende will er mich daheim besuchen«, sagte Carolin.
Sie sah plötzlich ganz verträumt aus, als sie in die Flammen des Feuers vor ihnen schaute.
Am Ende ist es ernst, dachte Leona.
Es wurde nun sanfte, romantische Musik gespielt. Engumschlungene Paare bewegten sich in verklärter Langsamkeit dazu. Das Schlauchboot schwamm wieder zum Ufer, die Mädchen mit den Zöpfen und den geblümten Kleidern stiegen aus. Irgendwo lachte schrill eine Frau. Leona fühlte sich etwas benommen vom Alkohol, dabei so leicht und entspannt wie lange nicht mehr. Sie genoß die warme, samtige Nachtluft auf ihrer Haut. Sie versank im Anblick der silbernen Streifen, die der Mond durch das Laub der Bäume warf und auf der dunklen Wasseroberfläche zerschmelzen ließ. Sie lauschte in ihren Körper hinein, und zum ersten Mal seit langem schien er ihr zu sagen, daß alles gut werden würde.
»Du hast heute mittag gesagt, du weißt jetzt eine Menge mehr als vorher«, unterbrach Carolin das Schweigen zwischen ihnen. »Willst du mir jetzt nicht sagen, was du damit gemeint hast?«
Leona spielte mit der sandigen Erde zu ihren Füßen, nahm eine Handvoll auf, ließ sie langsam wieder hinabrieseln.
»Ich weiß jetzt, daß Angst kein guter Ratgeber ist«, sagte sie. »Natürlich, das ist eine banale Weisheit, und jeder würde sagen, das war doch immer schon klar. Aber es ist etwas anderes, das zu wissen oder es zu fühlen. Ich kann
es wirklich fühlen. Irgendwann in diesen Wochen, als ich hier in meinem Versteck lebte, bin ich so wütend geworden, wie ich es noch nie vorher war. Und mit meiner Wut kam die Kraft. Mit jedem Tag habe ich mich stärker gefühlt. Und irgendwann wußte ich dann, daß ich mich nicht mehr verstecken würde. Vor ihm nicht – und nicht vor ein paar Wahrheiten in meinem Leben.«
»Vor welchen Wahrheiten?«
»Zum Beispiel vor der Erkenntnis, daß es zwischen mir und Wolfgang vorbei ist. Ich werde bei meinem Scheidungsvorhaben bleiben. Ich werde mich ganz von ihm trennen.«
»Bist du sicher? Er ist doch zurückgekommen! Meinst du nicht, du kannst ihm diese … Geschichte verzeihen?«
»Darum geht es nicht. Ich habe ihm längst verziehen. Aber unsere Beziehung gründete auf einem gemeinsamen irrealen Traum von einer uneinnehmbaren, friedlichen Insel, die wir beide gemeinsam sowohl bilden als auch bewohnen. Diesen Traum werde ich nie mehr träumen können, und an seinen Trümmern will ich nicht festhalten. Ich will nicht so werden wie unsere Eltern, die sich verbissen haben in ihr Bild von der heilen Welt und die nun jeden grellen Mißton ignorieren, damit das, was rosarot sein soll, wenigstens in ihrer Vorstellung rosarot bleibt. Bei Wolfgang und mir hat zu vieles schon nicht mehr gestimmt, und ich werde jetzt nicht anfangen, mir das zurechtzulügen.«
Carolin sah ihre Schwester von der Seite an.
»Im Moment wirkst du so stark, daß ich dir tatsächlich zutraue, mit dem irren Robert fertig zu werden, deinen Wolfgang abzuservieren und dir in Windeseile ein neues Prachtexemplar von Mann zuzulegen«, sagte sie.
Leona lachte. »Von Prachtexemplaren habe ich erst einmal genug. Ich habe dir noch gar nicht von Bernhard Fabiani
erzählt, nicht wahr? Da wäre ich beinahe in einen wunderbaren neuen Schlamassel hineingesegelt.«
»Bernhard Fabiani? Hör mal, um dich herum wimmelt es ja von Männern! Erzähl mir sofort von ihm!«
»Morgen. Findest du nicht, wir könnten langsam daran denken, nach Hause zu gehen? Ich bin, ehrlich gesagt, etwas müde und habe, glaube ich, auch ein bißchen viel Wein erwischt. Außerdem muß dein Sohn endlich ins Bett. Schließlich ist er erst fünf!«
»Wie spät ist es denn?«
»Gleich halb eins.«
»Okay«, sagte Carolin friedlich und stand auf. »Ich bleibe zwar meist bis mindestens vier Uhr auf Partys, aber ein bißchen Schlaf könnte nicht schaden.«
Tim kam auf sie zu und griff nach Carolins Hand.
»Geht ihr schon?«
»Es wird Zeit für den Kleinen«, sagte Carolin, »aber komm doch morgen zum Frühstück vorbei. Wir sind bis mittags noch im Haus.«
»Alles klar. Ich komme«, versprach Tim.
Carolin sah sich um. »Wo ist Felix denn?«
Der Platz um den See war
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