Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Verehrer

Der Verehrer

Titel: Der Verehrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
Vom Netzwerk:
mal! Ich werde sonst noch schneller fahren. Viel schneller! Also
    – bist du jetzt ruhig?«
    »Okay. Okay. Bitte, fahr langsamer. Bitte!«
     
    »Ich habe schreckliche Kopfschmerzen, Leona. Schau mal im Handschuhfach nach. Vielleicht sind da Tabletten!«
    »Hier sind keine Tabletten.«
    »Ich brauche etwas. Ich brauche unbedingt etwas!«
    »Ich kann dir keine Tabletten herbeizaubern. Warte mal, hier ist eine kleine Tasche … nein, da ist nichts gegen Kopfschmerzen … Kautabletten gegen Reiseübelkeit … möchtest du eine?«
    »Ich habe doch keine Reiseübelkeit, zum Teufel!«
    »Lydia! Lydia Behrenburg! Ihr gehört das Auto!«
    »Wie kommst du denn darauf?«
    »Weil hier ihr Name steht. In der Tasche. Lydia Behrenburg. «
    »Na und? Spielt das eine Rolle? Spielt es irgendeine Rolle, wem das verdammte Auto gehört?«
    »Ist sie …?«
    »Was?«
    »Nichts.« Ist Lydia noch am Leben?
     
    »Manchmal denke ich, ich habe mich in dir genauso getäuscht wie in Anna.«
    »Inwiefern getäuscht?«
    »Ihr gebt einem Mann das Gefühl, ihn zu brauchen. Und ihn zu beschützen. Ihr gebt ihm das Gefühl, bereit zu sein, eine Einheit mit ihm zu bilden. Aber dahinter steckt keine Wahrheit.«
    »Ich wollte dich nie täuschen, Robert. Wenn es so ausgesehen hat, tut es mir leid.«
    »Du hättest Anna sehen sollen, als ich sie kennenlernte. Abgerissen und ohne Geld. War weggegangen von daheim, in die große, weite Welt, und war gerade mal bis Ascona gekommen. Ihr ging’s dreckig. Sie wußte nicht, wovon sie leben sollte, und sie hatte Angst, sie wird ausgelacht, wenn sie daheim wiederaufkreuzt. Sie hat sich an mich gekrallt wie eine Klette. Ich habe sie aufgepäppelt. Buchstäblich. Aber kaum ging es ihr wieder gut, da wollte sie auf einmal immer mehr Abstand zu mir. Angeblich habe ich sie vereinnahmt, unter Druck gesetzt, ihr die Luft zum Atmen genommen … das ganze verdammte feministische Gequatsche, das die modernen Frauen herunterbeten wie die Priester das Vaterunser. Ich möchte wissen, wer euch so viel Mist in eure Köpfe gepflanzt hat. Ihr seid intelligent, oder? Du bist jedenfalls intelligent, und Anna war auch nicht dumm. Aber ihr begreift nicht, wie wichtig die Einheit ist. Daß man nicht leben kann ohne sie. Ihr wollt immer nur die Abgrenzung. Die Eigenständigkeit. Die Distanz. Könnt ihr nicht den Hunger spüren? Den schrecklichen Hunger?«
    »Wonach bist du so hungrig?«
    »Wenn du das nicht weißt, Leona, dann hast du nichts begriffen. Gar nichts. Dann bist du wirklich nicht besser als Anna. Aber das sagte ich ja schon: Ich habe mich in dir ganz genauso getäuscht.«
    »Und du willst trotzdem mit mir leben?«
    »Ich will nicht weiter darüber sprechen.«
    »Wir sollten darüber sprechen, bevor wir in das Flugzeug steigen.«
    »Ich werde dir sagen, wann wir darüber sprechen. Nicht jetzt!«
    »Wann?«
    »Nicht jetzt!«
     
    Sie fuhren und fuhren, über sonnige Landstraßen, dann wieder über Autobahnen, durch Dörfer, und einmal ratterten sie sogar über einen Feldweg, dessen Unebenheiten das Auto so hüpfen und schwanken ließen, daß Leona meinte, es müsse jeden Moment auseinanderbrechen.
    Zeitweise verlor sie die Orientierung, dann wieder sagten ihr die Namen größerer Städte, wo ungefähr sie sich befanden. Sie hatte nicht den Eindruck, daß Robert tatsächlich Amsterdam ansteuerte. Er schien einen willkürlichen Zickzackkurs zu fahren, der insgesamt eher in nördliche als in westliche Richtung führte. Kannte er den Weg nicht und versuchte diese Tatsache damit zu verschleiern, daß er so tat, als wisse er ganz genau, wohin er wollte? Oder hatte er seinen Plan längst geändert, strebte einem ganz anderen Ziel entgegen?
    Sie sah ihn von der Seite an. Er hatte seit über einer Stunde nicht mehr von seinen Kopfschmerzen gesprochen, aber es hatte den Anschein, als quälten sie ihn immer stärker. Er war fast grau im Gesicht, und an der rechten Schläfe trat eine feine blaue Ader hervor und zuckte in unregelmäßigen Abständen. Auf seiner Stirn glänzte der Schweiß.
    Als sie durch ein Dorf kamen, sagte Leona: »Sollten wir nicht bei einer Apotheke halten und irgend etwas gegen deine Kopfschmerzen kaufen? Du siehst gar nicht gut aus.«
    Gereizt antwortete er: »Es ist Sonntag , falls dir das entgangen ist!«

    »Ich weiß. Aber wir könnten bei irgendeiner Apotheke halten und nachsehen, wo die nächste Notapotheke ist. Das schreiben sie doch immer auf einen Zettel an der Tür.«
    Er schien zu überlegen.

Weitere Kostenlose Bücher