Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)
begrüßen sollte: eine lange Reihe von mehr als sechshundert Würdenträgern in Purpur, Violett und Schwarz und Mönchen in den Farben der Dominikaner und Franziskaner, Benediktiner und Augustiner.
Ich fand den Basileus in der Nähe des Tores unter einem Baldachin, der ihn vor dem Wind schützte. Ein Kammerdiener legte ihm gerade eine mit Perlen bestickte Seidenrobe an, und darüber den kaiserlichen Purpurmantel. Dann reichte er ihm ein Kreuz, das der Kaiser küsste, um sich dann damit schmücken zu lassen. Ein zweiter Diener kniete nieder und befestigte das Schwert an seinem Gürtel. Giorgios half mir vom Pferd und führte mich zum Basileus. Ich schlug meinen weiten Mantel zurück, kniete nieder und neigte mein Haupt, während er mich dem Zeremoniell gemäß ankündigte: »Der Exarchos von Griechenland, Seine Seligkeit Niketas IV. Evangelos von ...«
Ioannis ignorierte meine Ehrentitel, half mir auf und umarmte mich herzlich. »Wie schön, dich zu sehen, Niketas!«
»Ich freue mich auch, Ioannis! Wie geht es dir?«
»Die Gicht macht mir zu schaffen. Ich kann mich vor Schmerzen kaum noch bewegen. Leonardo Brunis Rede dauerte länger als eine Stunde. Die Prozession zum Domplatz und der Empfang durch Cosimo werden eine Qual für mich sein.«
»Tut mir leid.«
»Ich möchte unter vier Augen mit dir reden.« Mit einem ungeduldigen Wink scheuchte er die Diener fort, die ihm die kaiserliche Krone aufsetzen wollten, und legte mir vertraulich die Hand auf den Arm. Eine Geste, die von seinem Gefolge und dem päpstlichen Hofstaat mit Geraune zur Kenntnis genommen wurde. Demetrios, der sein aufgeregt tänzelndes Pferd beruhigte, verzog unwillig die Lippen.
»Giorgios hat mir vorhin von Natanaels Tod berichtet. Ich weiß, wie sehr du an ihm hingst, Niketas!«
Ich nickte stumm.
»Er hat mir auch erzählt, dass du dich mit Basilios Bessarion zerstritten hast und in meine Residenz umgezogen bist.«
»Das stimmt.«
»Euer Streit hat unter den orthodoxen Bischöfen und Metropoliten große Bestürzung ausgelöst. Die wenigen Hierarchen, die noch ernsthaft an die Kirchenunion glauben, befürchten, dass ihr euch über die Konzilsstreitfragen des päpstlichen Primats und des Filioque entzweit haben könntet.« Eine tiefe Sorgenfalte hatte sich in seine Stirn gegraben. »Ich kenne deine Glaubenszweifel, Niketas! Aber in Ferrara hast du mir verspro...«
»Unsere Differenzen sind sehr persönlich. Sie gehen niemanden außer Basilios und mich etwas an.«
»Niketas, in deiner und meiner Position gibt es keinen persönlichen Streit! Wir haben kein Privatleben, denn wir repräsentieren Kirche und Staat. Wenn wir uns streiten, betrifft es das Byzantinische Reich oder die orthodoxe Kirche«, ermahnte er mich ernst und wies auf die byzantinischen und florentinischen Würdenträger, die uns von der Via Larga aus beobachteten. »Ich will kein neues Schisma, das das orthodoxe Christentum spal...«
»Die Union mit der römischen Kirche wird geschlossen werden«, unterbrach ich ihn. »Aber zwischen mir und Basilios kann es keine Versöhnung geben!«
Er rang die Hände und wandte sich ab. Eine eisige Sturmbö zerrte an seinem Purpurmantel. In der Ferne vernahm ich das erste Donnergrollen des nahenden Gewitters. Schließlich drehte er sich wieder zu mir um und legte die Hand auf meine Schulter. »Niketas, ich wünsche, dass du während der Prozession an meiner Seite reitest. Ich will Eugenius zeigen, dass du eine herausragende Stellung unter den Metropoliten hast und mein besonderes Vertrauen genießt.«
»Wie du es wünschst.«
Während er zum Baldachin zurückkehrte, um sich die mit Rubinen und Saphiren geschmückte Kaiserkrone aufsetzen zu lassen, begab ich mich zu meinem Pferd.
Selim erwartete mich. Der Freund meines Bruders Demetrios war ein attraktiver Mann von fünfunddreißig Jahren mit mandelförmigen Augen, denen er mit einigen Tropfen Belladonna Glanz verlieh. Die Lidränder waren mit schwarzem Bleiglanz geschminkt. Entgegen der türkischen und byzantinischen Mode trug er seinen Bart kurz geschnitten.
»Niketas, ich muss dringend vertraulich mit dir reden!«, murmelte er. Beunruhigt blickte er sich um - was fürchtete er? »Es geht um den Anschlag auf dich. Ich war entsetzt, als ich davon erfuhr - Allah ist mein Zeuge! Können wir uns heute Abend nach dem Bankett in deinen Räumen treffen?«
Selim hatte Todesangst. Sultan Murad hatte vor Jahren seinen Vater umbringen lassen, als dieser mit militärischer Unterstützung
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