Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)
warten, warf mich in das dichte Gewühl und drängte hinüber zum Karren. Die Menge riss mich mit sich fort und schob mich in Richtung des Baptisteriums. Ich presste die Arme an den Körper, hielt meine Kerze mit beiden Händen fest und wappnete mich gegen die Schläge und Stöße von allen Seiten.
Die ersten Florentiner hatten ihre Lichter am Wagen entzündet und kämpften sich nun zurück durch die Masse der ihnen entgegendrängenden Menschen. Im wilden Gerangel erloschen viele Kerzen und mussten neu entzündet werden. Heißes Wachs spritzte mir über Gesicht und Haar. Von vorn geschoben, von hinten gestoßen, rang ich nach Atem.
Verdammt, ich wurde in die falsche Richtung abgedrängt! Fort vom Karren!
Eine Hand legte sich vertraulich auf meine Schulter, und ich wandte mich um. »Cosimo!«
Nach Ablauf seiner Amtszeit als Staatsoberhaupt hatte er sich für einige Tage in seine Zelle nach San Marco zurückgezogen. »Wie schön dich zu sehen!«, flüsterte er und küsste mich auf die Wange.
»Ich habe dich vermisst«, gestand ich. »In den letzten Wochen haben wir uns viel zu selten gesehen. Willst du nicht heute Abend zum Essen kommen? Basilios und Isidor werden auch da sein.«
»Sehr gern. Können wir heute Abend einen Moment allein miteinander sprechen? Ich würde dich gern etwas fragen ...«
Kannte er das Gerücht, ich sei schwanger? Vermutete er, dass ich sein Kind unter dem Herzen trug? Seit jener Nacht in seinem Bett waren doch erst vier Monate vergangen ...
»Basilios hält heute Abend den orthodoxen Gottesdienst, und Niketas begleitet ihn nach Santa Croce. Wir essen erst sehr spät. Komm doch während der Messe zu mir! Dann können wir reden. So wie früher.«
Ich taumelte, als ich einen Stoß in den Rücken erhielt, doch Cosimo fing mich in seinen Armen auf. »Das wäre schön! Ich werde da sein.«
»Ich freue mich auf dich.«
Bevor er mich küssen konnte, schob sich jemand zwischen uns und drängte uns mit den Ellbogen auseinander.
Dieses Gesicht ... das Haar ... die dunklen Augen ... Er kam mir bekannt vor - und doch war ich sicher, ihm noch nie zuvor begegnet zu sein. Ein seltsames Gefühl beschlich mich. War es Neugier? Oder Angst?
Wer war dieser Mann?
Ich wandte mich ab und kämpfte mich durch die Menge, um den Wagen mit dem Feuer zu erreichen.
Nach einer Viertelstunde gelang es mir endlich, zum Karren vorzudringen, wo ich meine Osterkerze entzündete. Mit dem brennenden Licht wollte ich nun zu Niketas und Basilios zurückkehren, die mich neben Cesarini und Scarampo auf den Domstufen erwarteten. Beunruhigt ließen sie ihre Blicke über die wogende, schreiende Menge auf der Piazza schweifen, konnten mich jedoch nirgendwo entdecken.
Schritt für Schritt kämpfte ich mich vorwärts, wurde jedoch immer wieder zurückgestoßen und in Richtung der Via Larga abgedrängt. Ein Mann legte seinen Arm um meine Hüfte, drängte sich von hinten gegen mich und schob mich mit Gewalt vorwärts. Ich wandte mich zu ihm um und erschrak.
Er war es!
»Fühlt Ihr Euch nicht wohl, Alessandra?«, fragte er mit einem feinen Lächeln, das den Hass in seinen Augen nicht verbergen konnte. »Lasst mich Euch aus diesem Gedränge herausbringen.«
Du lieber Himmel, woher kannte ich ihn denn bloß?
Er sprach mit römischem Akzent!
»Wer seid Ihr?«, presste ich hervor und betrachtete sein Gesicht mit den dunklen Augen. Seine sinnlichen Lippen wurden von einem sorgfältig gestutzten Bart betont. Das kastanienbraune Haar fiel ihm bis auf die breiten Schultern. Seine schwarze Kleidung aus Samt und Seide war schlicht, aber von sehr elegantem Schnitt. Kein Schmuck, kein aufgesticktes Wappen, nicht einmal ein Siegelring an seiner Hand!
Er antwortete nicht, packte meine Arme und schob mich durch die Menge. Als ich auf den Pflastersteinen der Piazza stolperte, fing er mich auf, nahm mich in seine Arme und trug mich am Baptisterium vorbei zur Straße, die nach Santa Maria Novella führte.
»Lasst mich los!«, rief ich und versuchte mich aus seiner Umarmung zu befreien.
Neben dem Palast des Erzbischofs warteten acht, neun, zehn Bewaffnete mit ihren Pferden. Sie saßen auf, als wir uns näherten. Sollte ich entführt werden? In dem Gedränge auf dem Domplatz würde mich so schnell niemand vermissen! Wer, zum Teufel, waren diese Männer?
»Cosimo!«, schrie ich so laut ich konnte. »Cosimo!« Doch er war zu weit entfernt, um mich zu hören. »Schweigt!«, herrschte mich der Römer an.
Er stellte mich auf den Boden und
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