Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)
ließ mich für einen Augenblick los, um die Zügel seines Hengstes zu ergreifen. Ich zog meinen Dolch, doch er packte meinen Arm, schlug hart auf mein Handgelenk und entwand mir die Klinge derart brutal, dass ich vor Schmerz aufstöhnte.
»Cosimo, mein Liebster, rette mich!«, lärmten nun die Bewaffneten. »Mein zorniger Gemahl will mich zurückhaben und ordentlich durchficken! Rette mich, Cosimo, aber bitte nicht so schnell ...«
Brüllendes Gelächter.
»Euer Gnaden, Eure Gemahlin hat Angst vor Euch!«, rief einer seiner Freunde vergnügt. Ihm schien die Sache unbändigen Spaß zu machen.
»Und ich dachte, sie liebt Euch, Euer Gnaden!«, neckte ihn ein anderer. »Zumindest den harten Teil von Euch.« Er spreizte den Mittelfinger seiner rechten Hand ab und lachte anzüglich.
Drei junge Florentiner waren neugierig stehen geblieben und beobachteten das vermeintliche Drama zwischen einem betrogenen Ehemann und seiner entlaufenen Gemahlin. Schließlich zogen sie tuschelnd und kichernd weiter.
Ich bebte vor ohnmächtigem Zorn!
»Ich bin Alessandra d'Ascoli«, stieß ich mit heiserer Stimme hervor, während mir der Römer mit einem Lederriemen die Hände fesselte. »Ich weiß, wer Ihr seid«, murmelte er, ohne aufzublicken. »Was wollt Ihr von mir?«
»Rache will ich!«, knirschte er mit blitzenden Augen. »Ein Leben für ein anderes!«
»Blutrache?«, flüsterte ich entsetzt. »Um Gottes willen! Wen soll ich denn ermordet haben?«
»Meinen Bruder.«
»Und wer war Euer Bru...«
»Noch ein Wort, und ich schneide Euch gleich hier die Kehle durch!«, herrschte er mich an. Dann stieß er mich zu seinem Hengst, hob mich in den Sattel und stieg hinter mir auf.
Er und seine Männer wendeten ihre Pferde und trabten in Richtung Santa Maria Novella. Vergeblich bemühte ich mich, aus seiner engen Umarmung zu entkommen. Meine Schreie verhallten ungehört in der menschenleeren Straße - die Florentiner drängten sich um den Karren auf dem Domplatz.
Vor der päpstlichen Residenz versuchte ich vom Pferd zu springen, um mich in Santa Maria Novella in Sicherheit zu bringen. Doch der Römer hielt mich fest und galoppierte die Straße hinunter in Richtung Arno, dann am unbefestigten Lungarno entlang zum Ponte Vecchio, den wir im Trab überquerten. Wieso hörte denn niemand meine verzweifelten Hilferufe?
Dann hatten wir die Porta Romana erreicht. Meine Entführung war gut vorbereitet: Die Wachen am Stadttor hielten uns nicht auf, als wir Florenz verließen und die Straße in Richtung Siena ritten.
Schließlich erreichten wir ein Wäldchen, das vier oder fünf Meilen südlich von Florenz lag. Eine Staubwolke wirbelte auf, als der Römer seinen Hengst zügelte. Seine Gefolgsleute preschten an uns vorbei auf eine kleine Lichtung.
Während der Römer vom Pferd sprang, erhoben sich mehrere Bewaffnete in Kettenhemd, Helm und Harnisch von einem umgestürzten Baumstamm, wo sie augenscheinlich auf ihren Anführer gewartet hatten. Es waren sieben, acht, neun ... nein, zehn Bravi, bewaffnet mit Armbrust und Schwert. Ihre aufgezäumten und gesattelten Pferde grasten nahe einem Bach auf einer blühenden Wiese, wo gelbe Schmetterlinge von Blüte zu Blüte taumelten.
Zwanzig schwer bewaffnete Kämpfer, um mich in Gewahrsam zu nehmen? Die Männer trugen keine Farben auf ihren ledernen Jacken, keine Wappen. Und doch schienen sie zu einem Trupp von Söldnern zu gehören, den der Römer kommandierte.
War er ein Condottiere? Für wen kämpfte er?
Oder gehörte er einer der großen römischen Familien an, die eigene Heere unterhielten, um ihre Macht in Rom zu sichern?
Wer, zum Teufel, war der Bruder dieses Mannes?
»Steigt ab!«, befahl er und streckte mir beide Arme entgegen, um mich aufzufangen, als ich mit gefesselten Händen unbeholfen aus dem Sattel glitt.
Seine Männer suchten ihr Gepäck zusammen und schnallten es hinter den Sätteln fest. Offenbar hatten sie hier die Nacht verbracht, bevor ihr Anführer mit zehn seiner Gefolgsleute nach Florenz geritten war, um mich zu entführen. Der Aufbruch, wohin auch immer, stand unmittelbar bevor!
Eine vorwitzige Blaumeise mit zerrauftem gelbem Brustgefieder und leuchtend graublauen Flügeln setzte sich auf den Sattelknauf und betrachtete uns aufmerksam mit schräg gestelltem Kopf. Der Römer hatte die Blaumeise auch gesehen und belächelte ihre Unverfrorenheit.
In diesem Augenblick, da er abgelenkt war, schlug ich zu. Mit aller Kraft riss ich meine gefesselten Fäuste hoch und traf ihn
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