Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)
zurückgekehrt!
Bitte verzeiht, Alessandra: Ich weiß, dass Ihr schon mehrmals erst im Morgengrauen wiedergekommen seid. Aber so spät doch noch nie! Und noch dazu in der Weihnachtsnacht! Da ließ ich die Tür zu meinen Räumen offen, um ... äh ... na ja ...« Verlegen senkte er den Blick. »Dann bin ich eingeschlafen. Mein Kammerdiener hörte, wie vorhin einige Bewaffnete vom Verwalter verlangten, Eure Räume zu durchsuchen. Er riss mich aus dem Schlaf - er weiß, wie viel mir an Euch liegt.«
Ein bezauberndes Lächeln huschte über sein Gesicht.
»Offenbar wart Ihr tatsächlich in Schwierigkeiten. Sofort gab ich meinen Dienern den Befehl, Eure und Signor Tayebs Sachen in meine Räume zu bringen. Die Wohnung war leer geräumt, bevor die Bewaffneten wenig später die Treppe hochstürmten!«
»Grazie, Antonio«, seufzte ich erleichtert.
»Wer hat die Bewaffneten geschickt?«
»Ich weiß es nicht. Aber wer es auch ist - er hat heute Nacht versucht, mich zu ermorden.«
»Großer Gott!«
»Ich muss meinen Vater warnen - auch er ist in Lebensgefahr.«
»Kommt in meine Räume!«, nickte er. »Dort seid Ihr sicher.«
Er geleitete mich in seine Wohnung. Auf seinen Wink holte ein Diener die beiden Leinensäckchen mit Lapis und Purpur und verriegelte die Tür.
»Wie kann ich Euch helfen?«, fragte Antonio.
»Im Hafen liegt ein Schiff nach Pisa, das noch heute segeln wird. Schickt diese Farbpigmente in den Palazzo Medici in Pisa. Er liegt in der Nähe des Ponte della Fortezza am Ufer des Arno. Der Verwalter wird die Farben unverzüglich zu Luca d'Ascoli in Florenz bringen lassen. Ich werde meinem Vater schreiben. Habt Ihr Feder und Tinte?«
Antonio wies auf einen niedrigen Tisch mit Sitzpolstern. »Mein Diener Giacomo wird die Farben nach Florenz bringen. Da ich in vier Tagen nach Venedig zurückkehren werde, benötige ich ihn nicht mehr. Giacomo, geh deine Sachen packen!« Die Frage, die ihm auf der Zunge brannte, schluckte er herunter: Was befindet sich in den Beuteln - außer Farben?
»Das ist sehr freundlich von Euch«, dankte ich ihm und holte die Geldbörse aus meiner Reisetruhe. Dann zählte ich Giacomo einige Fiorini in die Hand. »Das wird für die Überfahrt nach Pisa reichen. Den Rest des Geldes kannst du behalten. Ich bin dir sehr dankbar.«
»Danke, Signorina«, nickte er. »Ihr seid sehr großzügig!« Damit eilte er davon, um seine Sachen zu holen.
Ich hockte mich auf das Sitzpolster, zog den blutigen Mordauftrag hervor und griff zu Feder und Pergament, um Luca zu warnen. In wenigen Worten fasste ich die Ereignisse dieser Nacht zusammen. Der spektakuläre Fund in der Genisa. Der Mordversuch durch den Römer, der sich an den Patriarchen Philotheos gewandt hatte, um mich festzunehmen. Meine Vermutungen bezüglich des Verfassers des blutverschmierten Briefes. ›... und der Brief war nicht datiert. Es ist also möglich, dass wir seit Wochen beobachtet werden‹, warf ich die letzten Worte auf das Pergament.
Als ich die Zeilen anstarrte, wurde mir bewusst: Wer uns überwachte, las vielleicht auch unsere Korrespondenz mit Gelehrten in aller Welt.
›Vernichte die Briefe von Lorenzo Valla aus Neapel, in denen er mit dir über die Konstantinische Schenkung disputierte‹ schrieb ich mit kratzender Feder nieder. ›Sie sind gefährlich - nicht nur für uns, auch für Lorenzo. Die Macht des Papstes und der Fortbestand des Patrimonium Petri werden durch seine Entdeckung bedroht!‹
Mein Blick fiel auf den blutigen Brief vor mir auf dem Tisch. In der letzten Zeile hatte ich das Wortfragment ›Patri...‹ entziffert, was ich zunächst als Patriarch gedeutet hatte. Doch konnten die verschmierten Buchstaben nicht auch der Beginn von Patrimonium Petri sein? Denkbar! Aber wie hing das Todesurteil der Kirche über mich mit Lorenzo Vallas gefährlicher Entdeckung zusammen? Ich hatte keine Ahnung!
›Tayeb und ich werden noch einige Tage in Alexandria bleiben und in der Genisa nach den Resten des Evangeliums suchen‹, schrieb ich an Luca. ›Vermutlich hat Philotheos die leeren Tonkrüge wegschaffen lassen, aber ich hoffe, doch noch etwas zu finden. Dann nehmen Tayeb und ich das nächste Schiff nach Hause. Versprochen! Pass auf dich auf, Luca! Alessandra.‹
Ich steckte die Feder zurück ins Tintenfass und wischte mir die Finger an einem Tuch ab. Dann faltete ich das blutige Beglaubigungsschreiben des Römers in meinen Brief ein. Antonio, der mich nicht aus den Augen gelassen hatte, reichte mir sein in der
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