Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)
den Molo erreichten, war die Galeere bereits zehn oder zwölf Ellen vom Kai entfernt.
Aufatmend stolperte ich in Antonios Arme. Er hielt mich fest: »Alessandra, was ist geschehen? Ich dachte, Cosimo de' Medici habe Euch gebeten, nach Kairo zu reisen. Ihr wart nie dort, nicht wahr?«
»Nein.«
»Ich werde Euch als meine Verlobte ausgeben«, schlug er geistesgegenwärtig vor und küsste mich - der Kapitän beobachtete uns stirnrunzelnd. »Die Galeere ist voll beladen. Der Laderaum ist bis zur Decke angefüllt mit indischen Gewürzen. Es gibt keine Schlafplätze mehr, außer im Laderaum oder an Deck. Aber ich habe eine geräumige Kabine mit zwei Betten. Da mein Diener nach Pisa reist, ist das zweite Bett zu vergeben.«
»Ich bin Euch sehr dankbar, Antonio.«
»Du meine Güte, Ihr seid völlig erschöpft. Und Ihr zittert«, sorgte er sich. »Was ist denn bloß geschehen?«
»Tayeb und ich haben uns während der letzten Nächte in der Wüste versteckt. Erst heute Morgen sind wir in die Stadt zurückgekehrt, um die Galeere zu erreichen. Die muslimischen Behörden sind hinter uns her.«
»Aber wieso?«
»In der Weihnachtsnacht ist ein Mordanschlag auf mich verübt worden. Ich hatte Euch im Funduk davon erzählt. Ich habe das Attentat überlebt - der Assassino nicht.«
»Habt Ihr ihn getötet?«
Ich nickte.
»O Gott!« Antonios Blick irrte zu den bewaffneten Ägyptern auf dem Molo, die sich kurz berieten. Dann hetzten sie den Kai entlang weiter nach Osten. Dort lagen kleinere Boote. Sie wollten uns durch den Hafen folgen!
Antonio ließ mich los, trat zum Kapitän und schilderte ihm die Lage. Der besorgte Blick des Venezianers erfasste die Ägypter am Kai, die kleinen, wendigen Boote am Molo. Dann wandte er sich um und musterte die Befestigungen des Hafens.
»Ruder hart Steuerbord - Segel in den Wind - Schiff klar zum Gefecht!« Eine Wiederholung seiner Befehle durch den Ersten Offizier schien unnötig: Seine Stimme war befehlsgewohnt - laut und deutlich.
Matrosen rannten über das Deck, um die Segel zu setzen. Auch die Ruder an Backbord wurden nun endlich ins Wasser getaucht. Das majestätische Schiff drehte langsam in den Wind.
Dann trat der Kapitän, ein hochgewachsener Mann mit Augen in der Farbe der venezianischen Lagune, zu mir. Er hielt sich so aufrecht, als habe er seinen Degen verschluckt. »Seid unbesorgt!«, sagte er so ruhig und so besonnen, als flösse Eiswasser in seinen Adern. »Die venezianischen Galeeren sind die schnellsten Schiffe der Welt. Bei gutem Wind schaffen wir sechs Knoten - wenn nicht mehr! Sobald wir den Hafen verlassen haben, werden wir unseren Verfolgern davonsegeln. Geht mit Eurem Diener zur Bugreling!« Er wies nach vorne. »Falls es zum Gefecht kommt, seid Ihr dort in Sicherheit!«
»Ich danke Euch, Kapitän ...«
»Adrian Venier.«
»Danke, Signor Venier. Ich bin Alessandra d’Ascoli.«
»Ihr seid keine Venezianerin.« Das war keine Frage, sondern eine Feststellung in schroffem Tonfall. Meine ausgestreckte Hand ignorierte er, indem er die Hände hinter seinem Rücken verschränkte. »Die Stadt Ascoli gehört zum Kirchenstaat, zum Patrimonium Petri.« Wieder fehlte das Fragezeichen am Ende seiner Rede.
»Ja, das stimmt«, nickte ich. »Ich bin Florentinerin. Ich kann ein Geleitschreiben von Cosimo de' Medici vorweisen.«
Er nickte - unbeeindruckt, wie mir schien. »Seid Ihr die Verlobte von Signor Trevisan?«, schoss er die nächste Frage ab.
»Nein.«
»Ihr werdet mit Antonio Trevisan die Kajüte teilen. Ein anderes Bett kann ich Euch nicht anbieten. Die Reise über Athen nach Venedig wird zwei Wochen dauern - wenn uns im Ägäischen Meer keine türkischen Piraten aufhalten.« Ich nickte.
»Ich hoffe, Ihr werdet Euch an Bord wohlfühlen. Diese Galeere ist eines der größten und schnellsten Schiffe der venezianischen Flotte. Vor einigen Monaten hatte ich die Ehre, den byzantinischen Kaiser nach Venedig zu bringen, wo ihn der Doge willkommen hieß, bevor er nach Ferrara weiterreiste. Ihr werdet mit Signor Trevisan die Kajüte bewohnen, in der Seine Majestät nächtigte. Bitte entschuldigt mich jetzt.« Adrian Venier nickte mir zu - das war das Äußerste, was der verschluckte Degen zuließ. Nun wandte er sich um und sah zur ägyptischen Dhau hinüber, die Segel gesetzt hatte und uns durch das Hafenbecken hetzte.
»Alle Segel setzen! Der Wind steht günstig«, brüllte er. »Ruderer: Volle Kraft voraus!«
Die Galeere nahm Fahrt auf. Der Morgenwind blähte die
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