Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)
soll kommen. Sofort!«
»Wie Ihr wünscht!« Der päpstliche Sekretär blickte mich stirnrunzelnd an. Dann schloss er die Tür hinter sich.
»Als Ihr gestern Mittag in Florenz ankamt, war Euer Vater schon tot«, fasste der Papst zusammen. »Dann wisst Ihr also nicht, worüber Luca und ich gesprochen haben?«
»Nein, Euer Heiligkeit.«
Er lehnte sich zurück und umfasste sein hölzernes Brustkreuz. »Vor einer Woche kam er überraschend nach Ferrara. Als mein Sekretär mir mitteilte, Luca habe um eine Audienz nachgesucht, war ich erstaunt. Nach acht Jahren brach er das Schweigen? Ich zögerte, doch dann beschloss ich, ihn am nächsten Tag zu empfangen.«
Eugenius hatte Luca gefürchtet wie der Teufel das Weihwasser. Seit er zum Pontifex gewählt worden war und gegen das Konzil von Basel kämpfte, hatte er panische Angst gehabt, der ›Richter Gottes‹ könnte sich eines Tages gegen ihn wenden und angesichts der Morde an den Colonna in Rom ein moralisches Urteil über ihn fällen - wie damals während der Prozesse in Konstanz über Johannes XXIII., Benedikt XIII. und Gregor XII., Eugenius' Onkel.
»In welcher Stimmung war Luca, als er zu Euch kam?«
»Er wirkte sehr ernst und zutiefst besorgt«, erwiderte Eugenius. »Ich glaube, es ist ihm nicht leichtgefallen, über seinen Schatten zu springen und zu mir zu kommen.«
Ich nickte gedankenvoll.
Bevor mein Vater sich entschlossen hatte, nach Ferrara zu reisen, war er eben erst von seinem Besuch bei Lorenzo Valla zurückgekehrt. Natürlich war Luca besorgt! Lorenzos Traktat über die Fälschung der Konstantinischen Schenkung bedrohte nicht nur die weltliche Macht des von den Basler Konziliaristen abgesetzten Papstes, sondern auch die ersehnte Einigung mit Kaiser Ioannis als Rechtsnachfolger Konstantins, der die Schenkung nie gemacht hatte. Lorenzos Abhandlung untergrub das Fundament der Kirche, der Luca sein Leben gewidmet hatte, bevor er von Eugenius exkommuniziert wurde. Luca konnte die Kirche nicht verraten! Als ehemaliges Mitglied der Priesterhierarchie schuldete er seinem Hohen Priester noch immer Gehorsam. Also vergaß er seinen Stolz, kroch zu Kreuze und brach sein jahrelanges Schweigen.
»Euer Vater erzählte mir von Eurer Reise nach Alexandria, wo Ihr nach verschollenen Handschriften gesucht habt. Er berichtete von dem Überfall des Assassinos in der versunkenen Synagoge und las mir dann einige Zeilen Eures Briefes vor, in dem Ihr angekündigt hattet, noch einige Tage zu bleiben und in der Genisa nach weiteren Fragmenten des Evangeliums zu suchen. Obwohl Luca wie immer sehr beherrscht wirkte, spürte ich, dass er Angst um Euch hatte.
Dann zeigte er mir den Brief, den Ihr dem toten Assassino abgenommen hattet. Ich war entsetzt! Denn ich fürchtete, irgendjemand könnte entgegen meinem ausdrücklichen Befehl versucht haben, Euch zu ermorden. Angesichts der blutigen Machtkämpfe gegen Eure Familie in Rom würde ein solcher Anschlag auf mich als Papst zurückfallen!«
»Ich habe keinen Augenblick lang geglaubt, dass Ihr mich ermorden lassen wolltet. Wir beide kennen uns doch schon so lange.«
»Seit Eurem dritten Lebensjahr, als Luca mit Euch aus Rom geflohen ist«, nickte er bedächtig. »Wer, glaubt Ihr, hat diesen mysteriösen Brief geschrieben?«
Warum sollte ich ihm Namen in den Mund legen, an denen er sich dann festbiss? »Ich weiß es nicht. Wen verdächtigt Ihr?«
»Nun, es gibt nicht viele Patriarchen. Der lateinische Patriarch von Konstantinopolis ist der Venezianer Giovanni Contarini - ein Günstling von Papst Martin. As Verfasser des Briefes kommt er nicht infrage, denn er ist Euch nicht feindlich gesinnt. Der Patriarch von Jerusalem, Blaise Molin, kann kaum noch eine Schreibfeder in seinen gichtigen Fingern halten. Der Patriarch von Alexandria heißt Giovanni Vitelleschi. Und der Patriarch von Rom bin ich.«
Ich nickte stumm.
»Während der Reise nach Florenz habe ich mich lange mit Kardinal Vitelleschi unterhalten. Es irritierte ihn, dass Luca nach Ferrara gekommen war. Als mein Sekretär uns Lucas Ankunft meldete, besprachen wir gerade die Lage in Rom. Nach der Unterzeichnung des Unionsdekrets will ich als Oberhaupt der vereinigten Kirche endlich in die Caput Mundi zurückkehren.« Eugenius beugte sich vor und griff nach dem Spielzeugpferd, das der kleine Junge ihm in Rom geschenkt hatte. »Euer Vater vermutete, dass jener Mordauftrag nicht in Florenz geschrieben worden war. Denn bei Eurem Aufbruch nach Ägypten war er nicht übersetzt
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