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Der vergessene Tempel

Der vergessene Tempel

Titel: Der vergessene Tempel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Harper
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Kleinasien zu bringen. Als der Händler es tut, speist Achilles ihn fürstlich in seinem Tempel und schickt ihn dann wieder fort. Doch während der Händler davonsegelt, hört er von der Insel her Schreie, grauenhafte Schreie unsäglicher Qual. Es ist das Mädchen, dem Achilles die Glieder einzeln vom Leib reißt.»
    Jackson stand auf. «Tja, also dann, vielen Dank, Mr.   Sourcelles. Ich denke, wir machen uns jetzt besser wieder auf den Weg. Sie, ähm, Sie waren uns eine große Hilfe.»
    Die Übrigen blieben sitzen. «Was ist mit der Tontafel?», fragte Muir. «Wegen der sind wir schließlich hergekommen.»
    «Wegen der sind Sie hergekommen?» Zorn verdüsterte Sourcelles’ Stimme. Er stand auf. Im Feuerschein fiel sein Schatten lang durch den Raum. «Man kommt nicht einfach hierher in mein Haus und stellt Forderungen. Meine Sammlung gehört mir. Ich teile sie mit niemandem. Es sei denn, Sie hätten mir im Gegenzug etwas Entsprechendes anzubieten?»
    «Gehen wir», drängte Jackson. «Wir brauchen diese Schrifttafel nicht. Die Insel finden wir auch so. Außerdem können wir das verdammte Ding ja ohnehin nicht lesen.»
    «Und was tun wir, wenn wir die Insel erreicht haben?» Reed sah wütender aus, als Grant ihn je erlebt habe. «Ohne die Informationen auf dieser Tafel hätten wir nicht einmal mit der Suche angefangen. Was, wenn auf der zweiten Hälfte noch weitere entscheidende Hinweise sind? Was immer sich auf dieser Insel befindet, fest steht, dass es nicht offen sichtbar herumliegt.»
    «Sie halten den Mund», befahl Jackson barsch. Für einen Moment geriet Sourcelles in seinem eigenen Haus in Vergessenheit; die drei Männer starrten einander finster an, und jeder wartete darauf, dass der andere nachgab. Ihr Gastgeber beobachtete sie, neben dem Kamin stehend, und hörte unbeteiligt, wenn auch mit einer gewissen Faszination zu.
    Plötzlich drang der klagende Ton einer Glocke durch das leere Haus. Alle wandten sich Sourcelles zu, der die Achseln zuckte. «Die Türklingel. Jacques wird sich darum kümmern.»
    «Erwarten Sie noch weitere Besucher?» Grant griff bereits wieder nach seiner Waffe.
    «Nein.»
    «Wahrscheinlich ist es Kirby», vermutete Jackson. «Er muss sich allmählich wundern, wo wir so lange bleiben.»
    Die Glocke ertönte wieder. Sourcelles runzelte ungehalten die Stirn. «Wo bleibt nur Jacques?» Er ging zu den Fenstertüren hinüber und öffnete sie. Ein Schwall kalter, feuchter Luft schlug herein, und der Lärm des prasselnden Regens erfüllte den Raum. Sourcelles spähte in das Unwetter hinaus, doch der Garten war im Halbdunkel kaum zu erkennen. «Qui est là?»
    «Nein!» Grant begriff einen Sekundenbruchteil zu spät, was sich anbahnte. Er hechtete zu der offenen Tür und riss im Sprung Marina zu Boden. Noch ehe er gelandet war, schlug die erste Kugel ein.

ZWEIUNDZWANZIG
    Die Fenster explodierten in einem Hagel aus Blei und Glas. Sourcelles wurde zurückgeschleudert, prallte in der Luft mit Grant zusammen, und die beiden Männer stürzten zu Boden. Dadurch wurde Grant vor dem Schlimmsten abgeschirmt. Jackson, der dem Fenster am nächsten gewesen war, hatte weniger Glück mit den messerscharfen Glassplittern; er wirbelte herum, beide Hände vor das Gesicht geschlagen. Dünne Rinnsale Blut krochen darüber wie Maden.
    «Zurück!», schrie Grant. Noch immer pfiffen ihm Kugeln um den Kopf, er konnte jedoch nicht sehen, woher sie kamen. «Raus auf den Gang.» Auf allen vieren kriechend, zerrte er Sourcelles in eine Ecke des Raumes. Der Franzose hatte vor den Fenstertüren gestanden, sodass er nicht von den fliegenden Glassplittern getroffen wurde, doch das rettete ihn nicht. Drei Schusswunden klafften in seiner Brust, und wo Grant ihn über den weißen Marmorboden geschleift hatte, war eine dicke Blutspur zurückgeblieben. Grant sah sich nach etwas um, womit er die Blutung stillen konnte, doch es war nichts in Reichweite.
    «Die Tafel. Wo ist sie?»
    Donner grollte über dem Berg und übertönte für kurze Zeit das Rattern der Maschinengewehre. Allerdings übertönte es auch Sourcelles’ Antwort. Grant beugte sich vor, das Ohr dicht am Mund des Franzosen, während er zugleich das zerschossene Fenster im Blick behielt. «Wo?»
    «Die Galerie.» Das Gewehrfeuer hatte ausgesetzt, doch inzwischen war Sourcelles’ Stimme so schwach, dass sie fast im Lärm des Regens unterging. «Sie ist im Ostflügel – in der obersten Etage.» Er hob kraftlos die Hand an die Kehle und zerrte an seinem

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