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Der vergessene Tempel

Der vergessene Tempel

Titel: Der vergessene Tempel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Harper
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blutdurchtränkten Kragen. Grant half ihm und riss den Kragen auf. Er nahm an, der Sterbende wolle nur leichter atmen – doch Sourcelles’ Finger tasteten weiter nach etwas. Um seinen Hals hing eine Lederschnur. Grant fasste sie und zog einen kleinen Messingschlüssel unter dem Hemd hervor.
    «Die Gorgo», hauchte Sourcelles. «Hinter der Gorgo.»
    Sein Körper wurde schlaff. Grant konnte nichts weiter für ihn tun. Ohne das Fenster aus den Augen zu lassen, schob er sich mit dem Rücken an der Wand entlang zur Tür. Die anderen hatten draußen im Flur Schutz gesucht. Reed hielt Sourcelles’ Buch an die Brust gedrückt; er musste es in der Panik des Überfalls vom Tisch genommen haben.
    «Sourcelles hat die Tafel tatsächlich», sagte Grant. «Sie ist im Obergeschoss.»
    «Das nützt uns nicht viel, wenn wir hier nicht rauskommen», bemerkte Muir. «Wir wissen nicht einmal, mit wem wir es zu tun haben.»
    «Kirby sagte doch, dass er ein Funkgerät im Wagen hat.» Grant wandte sich an Jackson. «Können Sie damit das amerikanische Hauptquartier kontaktieren?»
    Jackson nickte. «Es wird aber eine Weile dauern, bis die Kavallerie eintrifft.»
    «Auf der anderen Seite des Berges gibt es eine Landebahn. Sie ist bestimmt nicht auf Ihren Karten verzeichnet, aber sie liegt ungefähr zwischen den Dörfern Enispe und Stratie, unten im Tal. Wir müssen versuchen, es dorthin zu schaffen.»
    Jackson starrte ihn ungläubig an. «Woher wissen Sie das?»
    «Ich habe sie im Krieg benutzt.»
    Jackson sah aus, als wolle er Einspruch erheben, doch in diesem Moment zertrümmerte eine heftige Explosion das angrenzende Wohnzimmer. Eine Rauchwolke quoll in den Gang hinaus, und Splitter flogen durch die Luft. Durch das Klingeln in seinen Ohren hörte Grant Rufe von der Terrasse her und weitere Schüsse. Sie rannten den Gang entlang, vorbei an der Reihe blinder Marmorköpfe. Von oben schauten antike Helden auf sie herunter, festgebannt in ihren eigenen Schlachten. Am Ende des Ganges, an der Ecke zwischen der Eingangshalle und der Haupttreppe, blieb die Gruppe stehen.
    «Geben Sie mir Ihren Hut», sagte Grant zu Jackson.
    Jackson tat es. Im Gang stand auf einer Säule dicht bei der Ecke, etwa in Brusthöhe, eine Sokratesbüste. Grant setzte ihr Jacksons Filzhut auf, dann ging er in die Hocke und stemmte sich gegen die Säule. Sie glitt erstaunlich leicht über den polierten Marmorboden, um die Ecke, hinaus in die Eingangshalle und …
    Innerhalb eines Sekundenbruchteils knallte es zweimal: erst ein Pistolenschuss, dann der Einschlag der Kugel in den Marmor. Die Hälfte von Sokrates’ rechter Wange splitterte ab und fiel krachend auf den Marmorboden. Noch ehe sie aufschlug, war Grant bereits aufgesprungen, zielte mit dem Webley durch den schmalen Spalt zwischen Säule und Wand und feuerte zwei Schüsse ab. Der Hut segelte zu Boden. Nahe der Eingangstür polterte etwas Schwereres auf den Marmor.
    Grant warf Jackson einen Blick zu. «Geben Sie mir Feuerschutz.»
    Er rannte in die Halle hinaus und ging mit einem Sprung hinter der Treppe in Deckung. Als niemand auf ihn schoss, spähte er vorsichtig hinter dem Geländer hervor. Eine Gestalt in grünem Kampfanzug mit einem roten Stern auf dem Ärmel lag ausgestreckt auf der Türschwelle. Sonst war niemand zu sehen.
    Grant gab Jackson ein Zeichen. Der Amerikaner sprintete durch die Eingangshalle, drückte sich flach an die Wand neben der Tür und riskierte einen raschen Blick hinaus.
    «Ist der Wagen noch da?»
    «M-hm. Aber ich sehe Kirby nicht.»
    «Hauptsache, wir kommen an das Funkgerät.»
    Auf ein Nicken von Grant hin machte Jackson einen Sprung nach draußen, rollte sich auf den Stufen ab und duckte sich neben das Hinterrad des geparkten Wagens. Grant wartete auf die Schüsse, bereit, jeden Moment das Feuer zu erwidern. Doch anscheinend hatte niemand sie bemerkt.
    Jackson schlich geduckt um den Wagen herum, öffnete den Kofferraum und holte ein Feldfunkgerät heraus. Er mühte sich mit dem schweren Kasten ab, drückte ihn an die Brust und vergewisserte sich mit einem Blick um das Heck des Packard, ob ihm von der anderen Seite Gefahr drohte. Er schauderte: Kirbys lebloser Körper lag ausgestreckt auf dem Boden, sein Blut sickerte in den Schotter.
    Doch jetzt war keine Zeit, um den Kameraden zu betrauern. Hinter einer der Hecken bewegte sich etwas. Grant sah es, trat in die Türöffnung und gab zwei Schüsse ab. Dadurch verschaffte er Jackson genügend Zeit, die Stufen hochzuhasten.

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