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Der vergessene Tempel

Der vergessene Tempel

Titel: Der vergessene Tempel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Harper
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auf.
    «Ich sage das wirklich ungern, aber ich fürchte, unsere Probleme kommen von woanders.»
    «Sieh dir das Gemälde an», verlangte sie noch einmal in eindringlichem Ton. Sie fasste ihn an der Schulter und drehte ihn zu sich herum. «Den Schild.»
    Die Schritte wurden lauter – Grant erkannte, dass es wenigstens zwei Personen waren. Auf dem Treppenabsatz im ersten Stockwerk blieben sie stehen, und Grant hörte, wie sie sich mit gedämpften Stimmen berieten. Widerstrebend folgte er mit dem Blick Marinas ausgestrecktem Finger. Der Schild reichte beinahe bis zu seiner Kopfhöhe, und aus der Nähe konnte Grant auf den ersten Blick nur graue und weiße Farbflecken erkennen. Aber dann sah er es. In der Mitte der runden Fläche, in das Metall eingeprägt, doch scheinbar mit einem Eigenleben ausgestattet, trat ein Gesicht aus dem Schild hervor, bei dessen Anblick es ihm den Atem verschlug. Vipern wuchsen ihm aus dem Kopf, und gebogene Hauer ragten aus dem Mund wie Dolche. Das Entsetzlichste jedoch war sein Ausdruck: Das Gesicht war zu einer hässlichen Fratze unendlichen, unversöhnlichen Hasses verzerrt. Obwohl es nur ein Gemälde war, spürte Grant, wie er bei dem Anblick erstarrte.
    «Die Frau auf dem Bild ist Athene. Nachdem Perseus die Gorgo Medusa getötet hatte, hat er ihr den Kopf abgeschlagen und ihn der Göttin gebracht, die ihn von da an in ihrem Schild trug. Das ist die Gorgo.»
    Grant packte den prächtigen Rahmen mit beiden Händen und riss das Bild von der Wand. Ein feiner Spalt in der glatten Wand dahinter ließ erkennen, wo sich die Tür befand, und er fand ein kleines Schlüsselloch.
    «Beeil dich», drängte Marina. Einer der Männer, die sie verfolgten, überprüfte anscheinend allein das erste Stockwerk, während der andere weiter die Treppe hinaufstieg. Grant hörte, wie seine Schritte auf dem Halbabsatz direkt unter ihrer Etage die Richtung wechselten. «Gib mir deine Pistole.»
    Grant reichte Marina den Webley, dann zog er Sourcelles’ Schlüssel aus der Hosentasche und steckte ihn in das Loch. Der Mechanismus funktionierte reibungslos. Er hörte ein Klicken und drückte gegen die Tür.
    Die Angeln quietschten – ein leises Geräusch, doch es hallte im Flur wider. Grant erstarrte für einen Moment und fragte sich, ob ihr Verfolger es gehört hatte. Dann entschied er, dass es zu spät war, sich darüber Gedanken zu machen. Er stemmte sich mit der Schulter gegen die Tür und schob mit aller Kraft. Mit einem Protestkreischen schwang sie nach innen. Damit war jede Hoffnung zunichte, dass man sie nicht gehört hatte – aber die Tür stand offen.
    «Komm schnell», rief Grant und zog Marina mit sich durch die Tür, gerade als ein Kugelhagel losbrach. Der Gegner war hinter der Ecke zum Treppenhaus in Deckung gegangen und feuerte blindlings in die Galerie. Krüge und Vasen explodierten in Wolken roten Tonstaubs, und die Rüstungen der gemalten Helden wurden völlig zerfetzt. Gemeinsam schoben Grant und Marina die Tür wieder zu, gerade als die ersten Kugeln darin einschlugen. Die Tür bebte unter dem Aufprall, aber sie hielt. Grant schloss hinter ihnen ab. Erst dann drehte er sich um und sah, wo sie sich befanden.
    Grants erster Eindruck war, dass der Raum an eine Kapelle erinnerte. Marina jedoch, die sich besser mit Architektur auskannte, sah, dass er dem Inneren eines Miniaturtempels glich. Korinthische Säulen standen entlang beiden Seiten des hohen, schmalen Raumes, gekrönt von Basrelief-Friesen, von denen sie vermutete, dass es sich nicht um Nachbildungen handelte. Am anderen Ende, unter der hohen Decke, schien Sourcelles den vollständigen Giebel eines klassischen Tempels angebracht zu haben, unter anderem ein großes Marmorrelief mit Göttergestalten. In Nischen zwischen den Säulen standen hohe Schränke, die in der unteren Hälfte Schubladen und in der oberen Vitrinen hatten. Die Fachböden waren schwer beladen mit Skulpturen, Töpferwaren und Tonfigürchen. Manche waren so hoch, dass man sie nur mit Hilfe einer Holzleiter erreichen konnte, die in der Ecke stand. Es gab keine Fenster, dafür bestand die gesamte Decke aus einer Glaskuppel, wie in einem Gewächshaus oder einer Orangerie.
    «Das sieht nach nichts Besonderem aus.» Grant betrachtete die ausgestellten Artefakte. Im Vergleich zu den reich verzierten Töpferwaren draußen im Gang oder den lebensechten Marmorköpfen im Erdgeschoss wirkten diese Stücke eher wie von Kindern gemacht. Die Figuren der Steinreliefs waren eintönig und

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