Der verhängnisvolle Urlaub
sind?«
Die Funken sprühten wieder zwischen den beiden. So etwas wollte sich Karin nicht sagen lassen, jedenfalls nicht von einem Menschen, der, wie sie dachte, allen Grund hatte, ihr gegenüber bescheidener aufzutreten.
»Sie haben ja keine Ahnung von solchen Dingen«, giftete sie ihn an. »Was verstehen Sie von Kosmetik? Ich nehme an, daß sich dort, wo Sie herkommen, die Mädchen einmal am Tag das Gesicht mit kaltem Brunnenwasser waschen, und damit hat sich's. Erzählen Sie mir deshalb lieber etwas vom Landleben, wenn Sie mit mir sprechen; davon mögen Sie etwas verstehen.«
»Es würde Ihnen nicht schaden, den Kopf in sauberes, kaltes Brunnenwasser zu stecken. Erstens bekämen Sie davon ein reines Gesicht, und zweitens verschwänden die Flausen, die man Ihnen in den Kopf gesetzt hat.«
Karin verlor die Beherrschung.
»Hinaus!« rief sie, zur Tür zeigend. »Verlassen Sie mein Zimmer, ich will Sie nicht mehr sehen!«
Wortlos ging er. Die Tür klappte zu, und Karin Fabrici stand zitternd vor Erregung und allein in ihrem Zimmer, so wie sie es verlangt hatte.
Auf der kleinen Kommode schlug diskret eine Tischuhr.
11.30 Uhr. Unten vor dem Eingang des Hotels stand der weiße Mercedes. ›Miss Nickeroog‹ war überfällig, sie wurde längst erwartet, aber oben saß eine arme, unglückliche Karin Fabrici im Sessel und weinte in ihr Taschentuch hinein.
Johannes M. Markwart, der Kurdirektor und Baron v. Senkrecht, die alle drei kurz darauf ins Zimmer traten, um Karin aufzustöbern, standen ratlos vor ihr und wußten nicht, was sie sagen und machen sollten. Aber fest stand, daß kein längerer Aufschub mehr möglich war.
»Gnädiges Fräulein«, ergriff der Kurdirektor die Initiative, »wir haben keine Zeit mehr; aus dem Studio wurde schon zweimal angerufen, wo Sie bleiben. Tut mir leid, daß Sie –«
»Weinen können Sie später«, fiel Markwart ein.
»Nehmen Sie sich bitte zusammen, gnädiges Fräulein«, sagte der Baron. »Die Zeit drängt wirklich.«
»Was ist hier geschehen?« fragte der Kurdirektor. »Haben Sie über den Service zu klagen? Ist Ihnen jemand zu nahe getreten, ein Kerl vom Personal etwa?«
Karin schüttelte den Kopf, wischte sich mit dem Taschentuch über die Augen.
»Das kann alles noch geklärt werden – morgen oder übermorgen«, ließ sich Markwart vernehmen. »Höchstwahrscheinlich besteht aber dann gar kein Anlaß mehr dazu, ich kenne das.«
»Die sind doch alle hysterisch«, flüsterte er dem Kurdirektor zu.
»Sie müssen sich jetzt am Riemen reißen, gnädiges Fräulein, gestatten Sie mir dieses soldatische Wort«, sagte der Baron. »Ein deutsches Mädchen darf sich nicht einfach so gehen lassen, wenn es die Pflicht hat …«
Er wußte anscheinend nicht mehr weiter, räusperte sich.
»Sie wissen schon, was ich meine«, schloß er.
»Also los!« befahl Johannes M. Markwart, der Hauptverantwortliche für die ganze Veranstaltung, die nicht mitten im Ablauf steckenbleiben durfte, und griff nach Karins Oberarm, um sie zur Tür zu führen.
Erst mußte sich Karin jedoch noch einmal vor den Spiegel stellen, da die Tränen in ihrem Gesicht Zerstörungen hervorgerufen hatten, mit denen sie sich nicht der Öffentlichkeit präsentieren konnte. Dann wurde sie von den drei Herren hinunter zu dem weißen Mercedes geleitet. Der livrierte Chauffeur riß bei ihrem Erscheinen den Wagenschlag auf und salutierte militärisch. Im Nu sammelte sich eine kleine Menschenmenge an, die der Abfahrt rufend und winkend beiwohnte.
Karin blickte, als sich der Wagen in Bewegung setzte, in den Rückspiegel und sah in der Menge den Mann, der ihren Tränensturz ausgelöst hatte, stehen, still, braungebrannt, beobachtend. Sie sah auch noch, wie er sich abwandte und die Richtung zum Strand einschlug, als wolle er noch einmal den Korb und die kleine Sandburg an der niedrigen Düne aufsuchen, ehe er vielleicht Nickeroog zu verlassen gedachte.
Da lehnte sich Karin Fabrici weit in ihren Sitz zurück und schloß die Augen.
Nicht denken, sagte sie sich immer wieder vor, nicht denken. Morgen ist alles vorbei, der ganze Rummel, und du wirst ihn vergessen.
Wen ›ihn‹?
Den Rummel?
Oder ihn?
Werde ich den Rummel vergessen können? Ja, den ohne weiteres.
Werde ich aber auch ihn vergessen können …?
Peter Krahn fühlte sich gar nicht wohl, als er an der Mole von Nickeroog den Bäderdampfer verließ und zusammen mit einem Schwarm von Sommergästen den weißen Strand betrat, der, geschmückt mit Fahnen und
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