Der Verhandlungs-Profi
„Macher“ gehört. Das ist zwar alles recht interessant, doch mal ehrlich, was hilft diese Einteilung für die Praxis? Sollen wir diese auswendig lernen und darauf hoffen, dass uns dann am Verhandlungstisch ein sortenreiner Verhandlungstypus gegenübersitzt und wir spontan die dazu passenden Taktiken anwenden können? Was machen wir dann aber, wenn unser Verhandlungspartner sein Verhalten plötzlich ändert? Viel Spaß damit: Verwirrung ist vorprogrammiert. Bei Engarde beschränken wir uns daher auf zwei Hauptausprägungen, die wirklich einen Unterschied machen: den kompetitiven Verhandlungsstil und den kooperativen Verhandlungsstil.
Gleich vorweg: Keiner der beiden Stile ist richtig oder falsch. Abhängig von der Situation kann jeweils der eine oder auch der andere Stil effektiver und wirkungsvoller sein. In der Praxis wie auch in der Forschung zeigt sich allerdings:
Der kooperative Verhandlungsstil ist eher dazu geeignet, langfristig zufriedenstellende Verhandlungsergebnisse zu erreichen.
Der kompetitive Stil zeigt seine Stärke vor allem darin, bei Einmal-Transaktionen aufgrund der härteren Verhandlungsführung bessere Ergebnisse zu erzielen.
Zwei besonders interessante Studien geben einen Einblick in das Verhalten von Verhandlern auf breiterer Basis. Die erste Untersuchung, eine amerikanische Studie von Professor Gerald R. Williams, zeigte auf, dass etwa 65 Prozent der Versuchspersonen – Rechtsanwälte aus zwei amerikanischen Großstädten – einen konsistent kooperativen Verhandlungsstil pflegten und nur 24 Prozent ausgeprägt kompetitiv verhandelten. Die restlichen 11 Prozent waren weder der einen noch der anderen Kategorie klar zuordenbar. Insgesamt war ungefähr die Hälfte der Versuchspersonen von Menschen aus ihrem Umfeld als effektive Verhandler beschrieben worden.
Das wirklich Interessante daran ist nun, dass mehr als 75 Prozent der als effektiv beschriebenen Verhandler den kooperativen Stil ausübten und nur 12 Prozent den kompetitiven. Dies steht in Kontrast zu den Stereotypen aus den Wirtschaftskrimis im Kino, denn die Studie zeigt klar, dass der kooperative Verhandlungsstil nicht nur verbreiteter, sondern offensichtlich auch wirkungsvoller ist. Darüber hinaus erscheint es uns auch logisch, dass es Ihnen leichter fallen wird, Langfristbeziehungen aufzubauen und aufrechtzuerhalten und sich eine Reputation als fairer und guter Verhandler zu schaffen, wenn Sie den kooperativen Stil dem kompetitiven Stil vorziehen.
Die zweite interessante Studie stammt von Neil Rackham und John Carlisle aus England. Über einen Zeitraum von neun Jahren wurde das Verhalten von 49 professionellen Gewerkschaftsverhandlern in der Realität studiert. Die Studie untersuchte unter anderem die Anzahl von aggressiven Verhaltensweisen in Verhandlungen. Darunter fallen zum Beispiel überzogen positive Beschreibungen der eigenen Vorschläge (Schönreden), Beleidigungen der Gegenseite oder direkte Attacken auf die Aussagen der anderen. Ergebnis: Der durchschnittliche Verhandler setzte 10,8 aggressive Verhaltensweisen pro Verhandlungsstunde, die routinierten und effektiven Verhandler gebrauchten durchschnittlich nur 2,3 aggressive Verhaltensweisen pro Stunde. Darüber hinaus vermieden die routinierten und effektiveren Verhandler das, was die Forscher eine Angriff-Verteidigungsspirale nennen, also Zyklen von emotionsgeladenen Argumenten zwischen beiden Verhandlungsparteien (Streitgespräch). Nur 1,9 Prozent der Kommentare von erfahrenen Verhandlern fielen in diese Kategorie, während 6,3 Prozent der Argumente der durchschnittlichen Verhandler zu dieser Kategorie zählten. Das Profil des effektiveren und routinierteren Verhandlers scheint also einen höheren Grad an Kooperation zu zeigen als das des Durchschnittsverhandlers.
Die Conclusio beider Studien: Kooperation ist grundsätzlich die geeignetere Strategie für effektive Verhandlungsergebnisse, wenn auch sicher nicht die einzige und auch sicher nicht diejenige, die Sie in allen Fällen benutzen.
Test zur Feststellung Ihres persönlichen Verhandlungsstils
Ihren persönlichen Verhandlungsstil zu kennen bietet eine ganze Reihe von Vorteilen für Sie:
Sie wissen, worauf Sie in der Vorbereitung besonders achten müssen.
Sie wissen, mit welcher Art von Verhandlungspartner Sie leichter oder schwerer zurechtkommen.
Sie erfahren, wie Sie feststellen können, welchen Verhandlungsstil Ihr Verhandlungspartner anwendet.
Sie können sich rechtzeitig gegen Gefahren wappnen, die Ihr
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