Der Verhandlungs-Profi
Testpersonen versuchen, an der Schlange vorbeizukommen, um rasch einige Kopien machen zu können. Wenn die Person, die sich vordrängen wollte, nur fünf Blatt zu kopieren hatte, sagten an die 60 Prozent der Wartenden in der Schlange auf die Frage „Entschuldigung, ich habe fünf Blatt zu kopieren, darf ich den Kopierer benutzen?“ Ja. Wenn die Person 20 Seiten zu kopieren hatte, fiel die Zustimmungsrate der Menschen in der Schlange auf 24 Prozent. Dann fügte die Person die Aussage „… weil ich es eilig habe“ an das Ende der vorher genannten Forderung, die nun so klang: „Entschuldigung, ich habe fünf (oder zwanzig) Blatt zu kopieren, darf ich den Kopierer benutzen? Weil ich habe es eilig.“ Die Erfolgsquote schoss auf 94 Prozent bei der Fünf-Seiten-Frage und bemerkenswerte 42 Prozent bei der Zwanzig-Seiten-Frage.
Ich bin davon überzeugt, dass eine Schlange von ausschließlich kompetitiven Menschen völlig andere Ergebnisse zutage fördern würde als eine Schlange von rein kooperativen Menschen. Hören Sie also genau hin, wenn Ihr Verhandlungspartner Forderungen stellt und diese begründet. Sind die Begründungen nachvollziehbar, ergeben sie Sinn? Wenn nicht, lehnen Sie diese ab.
Um Ihre eigene Überzeugungskraft zu trainieren, können Sie die Methode Aussage–Begründung selbst anwenden, wo auch immer Sie Anliegen haben, im beruflichen Bereich oder auch privat, im Restaurant, in der Warteschlange im Supermarkt oder bei Ihren Kollegen im Büro. Umso besser der Grund, umso leichter wird es Ihnen fallen, die Forderung zu stellen, und umso höher wird die Zustimmungsrate Ihrer Testpersonen sein.
Das Begründen von Forderungen und Vorschlägen ist also essenziell, um diesen entsprechende Wirkung zu verleihen. Gerade bei extremen Forderungen oder optimistischen Vorschlägen geht es nicht ohne Begründung.
Da die Begründung so hervorragend funktioniert, gibt es eine Steigerung davon, die noch stärker und überzeugender ist: die Doppelbegründung in Form von Aussage–Begründung–Beweis. Angenommen Sie hätten gern eine Gehaltserhöhung. Sie haben drei Möglichkeiten, Ihr Anliegen zu formulieren:
Abbildung 10: Maximale Überzeugungskraft durch Begründung und Beweis Ihrer Aussage
Aussage
Herr Chef, wie jedes Jahr beim Mitarbeitergespräch reden wir ja auch übers Gehalt, und ich habe mir überlegt, dass eine 5-prozentige Erhöhung heuer fair für mich wäre.
Aussage–Begründung
Herr Chef, wie jedes Jahr … ich habe mir überlegt, dass eine 5-prozentige Erhöhung fair für mich wäre, weil meine Leistungen im letzten Jahr gerade mit den zwei Sonderprojekten wirklich außergewöhnlich war.
Aussage–Begründung–Beweis
… Deshalb habe ich hier ein Liste aufgestellt mit den Ersparnissen, die ich durch die Restrukturierungen in meinem Bereich erzielt habe und die zusätzlich zeigen, dass meine Forderung absolut gerechtfertigt ist.
Wenn wir uns nun anschauen, welche der drei Möglichkeiten die beste ist, dann können wir sehr rasch feststellen, dass Möglichkeit 2 natürlich schon besser ist als Möglichkeit 1, weil eine Begründung enthalten ist. Möglichkeit 3 jedoch ist den beiden anderen weit überlegen, weil zur Begründung auch noch eine Beweisführung kommt.
Durch die Methode Aussage–Begründung–Beweis lassen Sie Ihren Vorschlag nicht mehr allein, sondern Sie sichern ihn doppelt ab. Das maximiert Ihre Überzeugungskraft und erhöht damit die Chance auf eine Zusage durch Ihren Verhandlungspartner, in diesem Fall Ihren Chef.
Vorschläge durch Pausen entkräften
Viele Menschen fühlen sich unwohl, wenn die Kommunikation stoppt und es plötzlich ein paar Sekunden ruhig ist. Dieses Phänomen lässt sich besonders gut in Präsentationen oder Vorträgen feststellen, wenn Vortragende ihre Redepausen mit Füllwörtern oder Urlauten wie „Ah“ und „Äh“ überbrücken, um nur ja keine Sekunde Ruhe aufkommen zu lassen.
In Verhandlungen ist das Thema Ruhe gerade nach dem Anbringen eines Vorschlags signifikant. Ich erzähle in Seminaren gern das Beispiel, wie es, ohne ein Wort zu sagen, gelingt, einen möglichst raschen Rabatt herauszuschlagen.
Stellen Sie sich vor, Sie möchten einen neuen Geschirrspüler kaufen. Sie fragen den Verkäufer, was das von Ihnen anvisierte Modell kostet. Auf seine Antwort „500 Euro“ reagieren Sie mit einem leichten Hochziehen Ihrer Augenbrauen und einem fragenden Blick, ohne ein einziges Wort zu sagen. Dann zählen Sie innerlich die Sekunden … Es wird
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