Der verkaufte Patient
Daten und deren Missbrauch durch Dritte nicht sicher zu verhindern sind … es keinen belegbaren medizinischen Nutzen gibt … die Handhabung unserer Praxisabläufe erheblich behindert wird … die Kosten dieser milliardenschweren Entwicklung auf Patienten und Ärzte abgewälzt werden.«
Diesen Beschluss müssen wir Bürger voll mittragen! Wenn uns Patienten unsere Intimsphäre wichtig ist, müssen wir, wo immer es geht, Verweigerung betreiben. Am besten geht das an der Wahlurne. Ich habe da für die nächsten Wahlen ein ganz einfaches Prinzip. Auf dem Wahlzettel stehen verschiedene Parteien und Namen. Wer die E-Card kippt, kriegt meine Stimme. Wer sie will, dem sage ich: auf Wiedersehen!
Und wem immer noch die Vorstellung fehlt, was mit der E-Card geschehen könnte, dem empfehle ich die nachfolgende Geschichte »The Ballad of Joe Kuhl« von Dr. Ewald Proll (danke, Dr. Proll, für die Nachdruckerlaubnis!).
The Ballad of Joe Kuhl
(von Dr. Ewald Proll)
Joe Kuhl war genervt. Sein Robodoc hatte ihm gerade eine E-Mail geschickt. Auf einer seiner letzten Außendienstreisen musste er sich was Ansteckendes, Ekliges gefangen haben. Der WC-Sensor hatte routinemäßig den Urincheck über die Standleitung an das Rhein-Kliniken-Sektor-MVZ übermittelt, und da waren diese Kokken aufgefallen. Jetzt wusste er, warum das immer so dysurisch brannte
.
Joe nahm lieber das Terminal in seinem Arbeitszimmer (im Wohnzimmer saß seine Frau). Er loggte sich ein und schob die staatliche Gesundheitskarte in den Leser. Es dauerte eine Minute, dann erschien das Pop-up, in das er seine PIN eingab. Noch eine Minute, dann stand die Verbindung zum Robodoc. Seine History klappte auf, und er sah den Warnhinweis. Daneben ein Link: Serviceangebot Ihrer Gesundheitskasse. Er klickte drauf und wartete. Ein weiteres Pop-up: »Personenbezogene Daten werden ausgetauscht. Weiter. Abbrechen.« Also weiter. Schließlich wollte er das Dysurische loswerden
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Schon war er auf der Seite von Doc Morbus. Zehn Sorten Pillen waren da aufgelistet, sieben davon ausgegraut. Als er mit der Maus darüberfuhr, blinkte es: »Wird von Ihrer Gesundheitskasse nicht erstattet.« Er wählte eins von den anderen. »Ihre Bestellung wird bearbeitet. Bitte warten.«
Noch ein Pop-up: «Bitte legen Sie Ihre Gesundheitskarte in das Lesegerät. Weiter. Abbrechen.« Joe runzelte die Stirn, zog die Karte aus dem Leser und steckte sie wieder zurück. Nichts. Er drückte auf »Weiter«. Na also: »Bitte geben Sie Ihre PIN ein.« Er gab sie ein und bestätigte. Ein Ladebalken blinkte. »Ihre Karte wird überprüft. Bitte warten.«
Nebenan rumorte seine Frau. Joe wurde nervös. Endlich klappte der Balken weg: »Der Auftrag wurde auf Ihrer Karte gespeichert. Sie können die Ware innerhalb von 24 Stunden in Ihrem SektorServicePoint abholen. Dazu benötigen Sie den Ausdruckder Bestellbestätigung, den Sie jetzt ausdrucken können. Okay.«
Das war jetzt dumm. Der Netzwerkdrucker stand im Wohnzimmer. Joe dachte fieberhaft nach, fummelte an den Systemeinstellungen und schaltete den Drucker offline. Dann schickte er den Druckauftrag an den Spooler. So würde es gehen
.
Er zog die Karte und schaltete ab. Dann holte er sich ein Bier aus dem Kühlschrank. Später holte er noch mehr. Irgendwann legte er sich neben seine Frau, die schon lange schlief
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Morgens fiel ihm das Aufwachen schwer. Er war spät dran. Also verzichtete er aufs Frühstück und sah zu, dass er auf die Straße kam. Er sprang in den Wagen und startete. Nichts. Mit einem jämmerlichen Quieken erwachte das Navi im Armaturenbrett: »Sie sind nicht angeschnallt.« Schien vorwurfsvoll zu klingen. Joe seufzte, schnallte sich an, startete den Motor und fuhr zu seinem ersten Termin. Das Navi hatte sich automatisch die Tour vom Server seines Büros geladen und wies ihm den Weg. Ab jetzt war er im Dienst
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Am späten Nachmittag hatte er seine Aufgabenliste abgearbeitet. Erst jetzt fielen ihm die Kokken wieder ein. Mist. Er hatte die Bestellbestätigung nicht gedruckt. Hoffentlich brauchte seine Frau den Drucker nicht. Die kriegte den nie online und würde sich wieder beschweren. Na ja, wird wohl auch ohne Bestellbestätigung gehen
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Joe steuerte den nächstgelegenen ServicePoint an. Er stellte das Auto ins Parkverbot (würde ja nicht lange dauern) und zog seine Karte durch den Türöffner. Die Tür sprang klickend auf. Er zwängte sich in die Box und schob die Karte ins Terminal. Nach der PIN-Abfrage und einer Minute begrüßte
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