Der verkaufte Patient
ihn der ServicePoint: »Guten Abend, Herr Kuhl. Was möchten Sie tun? History aufrufen. Counselling beantragen. Emergency Service. Transaktion abschließen. Abbrechen.« Joe überlegte. Nichts schien plausibel. Schließlich wählte er »Transaktion abschließen« (schließlich wollte er die Sache zu einem Ende bringen). Es dauerte endlos. Endlich poppte ein Warnhinweis auf: »DieserServicePoint kann Ihre Transaktion nicht bearbeiten. Bitte wenden Sie sich an einen Operator. Jetzt. Später. Beenden.« Fünf Minuten waren vergangen. Joe klickte auf »Später«. Kommentarlos surrte seine Karte aus dem Schlitz. Er griff sie und spurtete zurück zum Wagen. Zu spät. Das Navi bemerkte mitleidlos: »Ein externer Zugriff hat stattgefunden. Der Beleg wurde an Ihren Drucker gesandt. Sie können ihn zu Hause ausdrucken und überprüfen. Bitte überweisen Sie den offenen Betrag von 55 innerhalb von 24 Stunden an die auf dem Beleg ausgewiesene Bußgeldstelle, um ein Fahrverbot zu umgehen.« Joe war zu müde, um sich darüber aufzuregen. Er startete, stellte fest, dass es nicht ging, schnallte sich seufzend an und startete erneut. Zu Hause trank er ein Bier und legte sich schlafen. Seine Frau war bei einer Freundin
.
Morgens fühlte er sich etwas besser. Bis auf die Dysurie. Er wollte den Drucker online schalten und stellte fest, dass der schon online war. Merkwürdig. Er sah in den Spooler: »Auftragsbestätigung (Kopie 1); Bußgeldbescheid.« Ohne zu überlegen, schickte er den Auftrag ab und holte das Papier aus dem Auffangkorb. Ein zweidimensionaler Barcode, für das menschliche Auge nicht zu entziffern, und ein dreiseitiges Formular mit kleinen Buchstaben, das er zur Seite legte
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Kurz darauf stand er in der SektorServiceBox und loggte sich ein. »Bitte warten«. Offensichtlich hatten sie wieder Leitungsprobleme, das war nicht so selten in dieser Gegend
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Endlich war er drin: »Guten Morgen, Herr Kuhl. Was möchten Sie tun? Counselling beantragen. Emergency Service. Abbrechen.« Was war das jetzt? Er wollte seine Pillen. Abbrechen, Karte raus, Karte rein, PIN, warten. Es dauerte, dann ein rotes Pop-up: »System override. Counsellor ready.« Das Pop-up klappte zu, ein Avatar blinkte in der linken oberen Bildschirmecke: »Klick mich.«
Joe seufzte und klickte. «Guten Morgen, Herr Kuhl. Was kann ich für Sie tun?« – »Ich will meine Pillen abholen.« – »Welche Pillen?« – »Die ich bestellt habe.« – »Geben Sie bitte Ihre Bestellnummer ein.« Joe starrte auf den Barcode. »Da ist keine Bestellnummer.« – »Haben Sie eine Hardcopy der Bestellbestätigung?« – »Sehen Sie auf meiner Karte nach.« Das System summte eine Weile vor sich hin und meldete sich dann wieder: »Die Daten auf der Karte müssen mit der Hardcopy abgeglichen werden, um die Authentizität zu verifizieren. Bitte legen Sie die Hardcopy in den Scanner.« Joe schob den Ausdruck in den Scannerschlitz. Es summte wieder. Der Avatar runzelte die Stirn: »Die Kopie kann nicht gelesen werden.«
Joe begann zu schwitzen. Wütend tippte er: »Mein Hund hat das Original gefressen.« Nichts geschah. Dann: »Der Datenabgleich mit der örtlichen Finanzbehörde ergab, dass Sie keine Hundesteuern zahlen. Die örtliche Finanzbehörde wird sich innerhalb der nächsten 24 Stunden wegen möglichen Hundebesitzes mit Ihnen in Verbindung setzen. Fakultativer Servicehinweis Ihrer Gesundheitskasse: Sie haben noch 9 Stunden Zeit, Ihr Bußgeld zu begleichen, um ein Fahrverbot zu umgehen. Möchten Sie jetzt das Original Ihrer Bestellbestätigung einlesen lassen?« – »Das ist doch wohl ein Witz! Ich hatte einen Netzwerkfehler. Außerdem habe ich gar keinen Hund.« – »Bitte definieren Sie Witz.« – »Sehen Sie doch bei Wikipedia nach.« – »Wikipedia ist nicht staatlich autorisiert. Was kann ich jetzt für Sie tun, Herr Kuhl?«
»Ich will meine Pillen.« – »Einen Moment bitte.«
Von Minute zu Minute wurde Joe unruhiger. Jetzt stand er schon eine halbe Stunde in dieser Box; draußen hatten sich schon Leute gesammelt, die immer ungeduldiger vor der Einwegscheibe herumtanzten. Endlich: »Der Datumsstempel der auf der Karte gespeicherten Bestellbestätigung weicht von der zulässigen Abholzeit um sieben Stunden ab. Der Vorgang wurde storniert. Bitte wiederholen Sie den Bestellvorgang von Ihrem persönlichen Terminal aus. Der Geschäftsvorfall wird jetzt beendet.« Zack, surrte die Gesundheitskarte aus dem Lesegerät, und der Bildschirm füllte sich wieder mit
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