Der verkaufte Tod
Junge, aus dir spricht nur der Neid. Wenn deine Sarah so attraktiv wäre wie Lora – aber lassen wir das! Ich will das Leben noch genießen, solange es geht. Bald bin ich siebzig, was ist dann?«
»Glaubst du, daß du bei diesem hektischen Leben siebzig wirst?«
»Das will ich hoffen. Und munter wie je im Bett! Lora braucht das. Denk an den berühmten Cellisten Pablo Casals. Er hat mit dreiundachtzig eine fünfzig Jahre jüngere Frau geheiratet, eine seiner Schülerinnen.«
»Casals hatte keine künstliche Niere, Ed. Auch wenn du dich bärenstark fühlst, du bist im Grunde genommen krank.«
»Es ist fürchterlich, einen Arzt als Freund zu haben!«
»Wann fliegst du nach Kalkutta zu Dr. Banda?«
»Nie.« Burten dachte an die Tiger, die mit Menschenfleisch gefüttert wurden. »Vor allem Frauenfleisch schmeckt ihnen besonders, ich weiß nicht, warum« – diese Worte hatte er noch im Ohr, wenn er an Dr. Banda dachte.
»Du solltest voriges Jahr schon kommen.«
»Na und? Hat sich was verändert? Du hättest es ja gemerkt, und gute Nierenspezialisten gibt es in den Staaten genug. Dr. Banda hat mir das Leben gerettet, unbestritten, aber er ist dafür auch klotzig bezahlt worden. Es war ein Geschäft, wir haben es abgewickelt, und damit Schluß.«
»Mich wundert, daß Dr. Banda noch nicht gemahnt hat.«
»Von ihm werde ich nichts mehr hören.«
»Bist du sicher?«
»Ganz sicher.«
»Und warum?«
Burten schwieg. Er hatte bisher mit keinem über Dr. Bandas Tiger gesprochen, auch mit Lora nicht, und er würde es auch nicht tun, das hatte er sich geschworen. Überhaupt Lora: Im letzten halben Jahr war ihm aufgefallen, wie schnell sie ermüdete. Beim Schwimmen, ihrer großen Leidenschaft, stieg sie immer häufiger aus dem Becken, hielt sich an den Leiterholmen fest und ging dann etwas taumelnd zu ihrer Liege.
»Ich bin so schlapp, Liebling«, sagte sie einmal, als sie unter dem Sonnendach lag und die Arme an ihrer Seite herunterfielen. »Es ist, als wenn ich Zentnersäcke weggetragen hätte. Vier Runden bin ich geschwommen und bin so müde wie nach vier Stunden Dauerlauf.«
Die nächsten Tage war sie dann wie immer, von einer mitreißenden Vitalität und Fröhlichkeit und im Bett eine Geliebte, die keine Wünsche offen ließ. Aber dann plötzlich überfiel sie wieder die Müdigkeit, die manchmal so stark war, daß sie Gleichgewichtsstörungen hatte. Burten brachte sie dann zu Bett, und kaum, daß sie lag, schlief sie schon ein. So ging das abwechselnd, hinauf und hinab, und der Zeitraum zwischen sprühender Lebensfreude und rätselhafter Niedergeschlagenheit wurde immer kürzer.
»Was ist mit Lora los?« fragte Burten, um Dr. Salomon von seinen Ermahnungen abzulenken. »Du hast sie doch gründlich untersucht. Woher kommt diese Schlappheit?«
Dr. Salomon sah Burten kurz an; er wußte, was gleich folgte, wenn er seine Antwort gab. »Ich weiß es nicht.«
»Wozu hast du eigentlich Medizin studiert?«
»Alles an Lora ist normal. Der Blutdruck, der Kreislauf, das EKG sind einwandfrei, alle Körperorgane arbeiten normal. Es bleibt nur eine Erklärung: die Nerven.«
»Und?«
»Ich bin mit Lora zu Dr. Hopkins gefahren. Der beste Nervenarzt in New York. Eine Weltkapazität. Er hatte alle Tests gemacht, die nur möglich sind. Ergebnis –«
»Nichts!«
»Du sagst es. Kann es sein, daß du Bulle Lora zu sehr beanspruchst?«
»Halt's Maul!« Burten wurde wütend. »Bildet man denn an den Universitäten nur Flaschen aus, die sich dann ein Leben lang vollaufen lassen? Genügt dir die letzte Party nicht?«
Burtens Partys waren in den einschlägigen Kreisen berühmt. Jeden Monat lud Lora zu einem geselligen Zusammensein in Burtens schloßähnlicher Villa, und alle, die sich zu den oberen Zehntausend rechneten, kamen, sich der Ehre bewußt. Burtens Partys hatten immer etwas Außergewöhnliches zu bieten. Es traten berühmte Sänger und Tänzer auf, erstklassige Ballette, Artisten, Zauberkünstler und Orchester, einmal ließ Burten im Garten sogar eine Manege aufbauen und eine gemischte Raubtiergruppe aus Löwen, Tigern, Leoparden, schwarzen Panthern und Jaguaren und eine Dressur von zwanzig Elefanten präsentieren. Für diese Partys öffnete Burten sein Bankkonto weit, aber er tat es nicht aus Menschenfreundlichkeit oder als Kulturmäzen; auf diesen Festen erfuhr er, wer wo mit welchem Betrieb auf wackeligen Füßen stand und ob ein Konkurs abzusehen war; es gibt ja nichts Geschwätzigeres als eine Männerrunde. Und so
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