Der verkaufte Tod
Ärzte-Gala wurde ein voller Erfolg. Ohne Schwierigkeiten passierte Tawan die Kontrolle, mischte sich unter die anderen Festgäste, hielt sich dann in der Nähe des riesigen Büffets auf, trank zum ersten Mal in seinem Leben ein ihm von einem weißgekleideten Ober angebotenes Glas Champagner und wunderte sich, warum die feinen Herrschaften ein solches Getränk mit Begeisterung schlürften. Für ihn war es etwas Säuerlich-Prickelndes, das keinem Vergleich mit einem guten Glas Bier standhielt. Von weitem sah er Dr. Palur Nazrul, der eine Ersatzeinladung bekommen hatte, und Oberarzt Dr. Jaipur von der Klinik Dr. Bandas. Dr. Jaipur brauchte er nicht aus dem Weg zu gehen, für ihn war er ein armer Nierenspender gewesen, den er nur als Operationsgebiet angesehen hatte.
Um so mehr zuckte Tawan zusammen, als sich eine Hand auf seine Schulter legte. Erledigt, dachte er. Das ist das Ende, bevor es noch angefangen hat. Mit eiskalter Entschlossenheit drehte er sich um. »Also doch! Du bist es, du Halunke!« sagte der Mann im hellblauen Smoking. Dr. Kasba.
Tawan atmete auf. Er macht das Spiel mit, durchfuhr es ihn. Er verrät mich nicht. Er kommt aus den Slums wie ich. »Verwechseln Sie mich nicht, Herr Kollege?« fragte Tawan charmant. »Ich bin Dr. Palur Nazrul.«
»Sie haben recht. Ich hielt sie für jemand anderen.« Dr. Kasba beugte sich zu Tawan vor. »Was soll dieser Aufzug? Übrigens, du bist der geborene Smokingträger. Ein Glück, daß es eine Gala ohne Damen ist; du würdest sie sonst reihenweise unruhig werden lassen. Was willst du hier?«
»Kennen Sie Dankan Usurpai, den Leiter der Baubehörde?«
»Natürlich! Da hinten an der Säule steht er. Ein Freund vom Chef. Wen kennt Dr. Banda nicht! Was willst du denn von Usurpai?«
»Er soll einen Bauantrag berücksichtigen.«
»Du willst bauen?« Dr. Kasba war ehrlich verblüfft. »Soweit bist du schon gekommen? Gratuliere, du Supergauner! Was baust du denn?«
»Ein Hotel.«
»Ein was?«
»Ein Hotel. Das Hotel Bambusgarten. Es wird umgebaut und erweitert. Mit einem Spitzenrestaurant.«
»Und woher hast du das Geld?«
»Man hat es eben«, sagte Tawan lässig und lächelte dabei. »Es ist in den vergangenen Monaten viel geschehen.«
»Tawan, der arme Nierenspender, im Smoking auf einer Ärzte-Gala! Das ist wirklich ein Sprung!«
»Und das Sprungbrett war meine Niere. Dr. Kasba, ich muß mich um Usurpai kümmern. Und wenn Sie auf den richtigen Dr. Nazrul treffen, erschrecken Sie nicht. Er ist auch hier.«
»Du hast ihm die Einladung geklaut?«
»Ja.«
»Du bist ein Teufelskerl! Tawan – pardon: Dr. Nazrul –, viel Glück!«
»Danke, Dr. Kasba.«
Sie gaben sich die Hand. Mit einem leichten Kopfschütteln blickte Dr. Kasba seinem ›Kollegen‹ Tawan nach, als dieser der Säule zustrebte, an der Dankan Usurpai, der wichtige Beamte, lehnte.
»Man sollte es nicht für möglich halten«, sagte Kasba leise zu sich, »welch wundersame Blüten der Sumpf Kalkutta treibt.«
Nach einer Stunde verließ Tawan den Galaabend und atmete auf, als er im Taxi zum Hotel fuhr. So wenig er unter den Ärzten aufgefallen war, so stark hatte der Druck auf ihm gelastet, doch noch im letzten Augenblick erkannt zu werden. Die größte Gefahr ging von Dr. Nazrul selbst aus: Er strich durch die Räume, als suche er den Dieb seiner Einladungskarte. Tawan war sich nicht sicher, ob der Arzt ihn bei seinem müden Abgang gesehen hatte.
Das Zusammentreffen mit Usurpai war kurz gewesen. Tawan hatte ihn angesprochen und einen herzlichen Gruß von seinem Freund Dr. Banda ausgerichtet. Er sei leider verhindert zu kommen, aber er habe seinen Stellvertreter Dr. Jaipur geschickt.
»Ich habe Dr. Jaipur schon begrüßt«, sagte Usurpai. »Schade, ich hatte mich sehr auf ein Wiedersehen mit Dr. Banda gefreut.«
»Ich soll Ihnen sagen, daß sich nichts geändert hat«, stieß Tawan vor.
Usurpai kniff die Augen zusammen, als blende ihn das Licht der vielen Lampen.
Tawan lächelte. Sie waren alle gleich, ob sie nun Dakhin oder Usurpai hießen. »Sie sehen, ich bin ein Vertrauter von Dr. Banda. Die Raten werden wie immer pünktlich bezahlt werden. Nur hat Dr. Banda noch eine Bitte. Er hat sich an einem Hotelprojekt beteiligt. Und er möchte, daß das Projekt so schnell wie möglich die Baubehörde durchläuft. Es ist der Um- und Neubau des Hotels Bambusgarten. Die Pläne liegen bei Ihnen vor. Ein schönes Hotel, das Dr. Banda sehr am Herzen liegt.«
»Ich werde mich selbst darum kümmern.«
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