Der verkaufte Tod
Star. Jeder Star hat Lampenfieber vor seinem ersten Auftritt. Da wären Sie eine seltene Ausnahme.«
»Sie sind ein halbwegs guter Psychologe, Doc. Sie umhängen die Angst mit Heiterkeit. Ich glaube, Sie bringen es fertig, einem Sterbenden zu sagen: ›Nur keine Ungeduld, gleich hören Sie die Engelchen singen.‹ Natürlich habe ich Angst.«
»Sie werden sich wundern, wie wohl Sie sich nach der Dialyse fühlen.« Dr. Henderson legte den Arm um Burtens Schulter und führte ihn aus dem Zimmer. »Essen Sie gern Eis oder Rosinenbrot?«
»Ja. Beides«, antwortete Burten verwirrt.
»Genau so werden Sie sich freuen, wenn es Ihnen jeden dritten Tag gut geht.«
»Ihre Sprüche sollten Sie als Taschenbuch herausgeben, Doc. Titel: Fröhliches Eingehen.«
»Keine schlechte Idee.« Dr. Henderson lachte jungenhaft. »Und da sind wir schon, Mister Burten. Schwester Lauren mit dem sagenhaften Hintern wartet.«
Sie war hübsch, ohne Zweifel. Unter dem grünen Kittel ahnte man ihre Formen, und ihr Gesicht war einer Barbie-Puppe ähnlich und lächelte unentwegt.
Burten mußte sich in einen bequemen Spezialsessel setzen, und Dr. Henderson selbst bereitete ihn auf die Blutwäsche vor. Mehr als Schwester Lauren interessierte Burten der Apparat, an den jetzt sein Blut angeschlossen wurde, damit alle Giftstoffe herausgewaschen würden, die von den Nieren nicht mehr ausgefiltert wurden. Das also ist eine künstliche Niere, dachte er. In diesem Apparat steckt jetzt mein Leben. Ohne ihn bin ich verloren, ein künstlich am Leben gehaltener Mensch. Er betrachtete die vielen Kontrollanzeiger, Monitore und Warnsysteme, die den arteriellen und venösen Druck überwachten, die Temperatur, die Beimischung von Luft im Blut, die Leitfähigkeit und einen eventuellen Übertritt von Blut in das Dialysat kontrollierten und den Dialysatdruck maßen.
»Schon etwas komplizierter als eine normale Waschmaschine«, sagte Dr. Henderson fröhlich. »Aber eine Niere ist ja auch kein Hemd – sie ist in Ihrem Falle schmutziger.«
Und dann war Burten zum ersten Mal an eine künstliche Niere angeschlossen. Er hörte ein leises Summen und wußte: Nun wird mein Blut durch die Maschine gepumpt und von allen Giften und Schlacken gereinigt. Im Rhythmus von zwei oder drei Tagen werde ich weiterleben – nur einmal ausgesetzt, und ich bin wieder vergiftet. Es ist ein Wunder, daß ich überhaupt noch lebe.
Dr. Henderson verabschiedete sich für fünf Stunden. Er klopfte Burten kameradschaftlich auf die Schulter. »Noch eins«, sagte er voll Heiterkeit, »wir waschen Sie nur, zum Bügeln müssen Sie auf Ihre Frau zurückgreifen, oder wer sonst dafür in Frage kommt.« Grinsend verließ er das Dialysezimmer.
Schwester Lauren überwachte die Monitoren und drehte mal hier, mal dort an einem Schalter. »Wie fühlen Sie sich, Mr. Burten?« fragte sie einmal.
»Beschissen. Ich bin so schlapp wie ein nasser Waschlappen.«
»Das wird sich alles regulieren. Sie sind sehr spät zu uns gekommen. Nach den Dialysen werden Sie wie ein normaler Mensch leben können.«
Normal! Burten schloß die Augen. Was wird wieder normal sein? Das Einsammeln von Geld aus seinen vielen Betrieben, das lief fast automatisch. Lange Reisen fielen aus. Alkohol, gestrichen. Golf, vielleicht noch möglich. Blieb nur noch Lora, und hier konnte es problematisch werden.
Lora Burten, geborene White, hatte er auf einer Pelzmodenschau kennengelernt. Er wollte sich einen neuen Fuchspelzmantel kaufen, denn im Winter verbrachte er immer einen Monat in den Bergen von Montana. Bei dieser Modenschau wurden – als längster Teil – auch Damenpelze vorgeführt, und eines der Mannequins, die über den gläsernen Laufsteg schwebten, eingehüllt in sündhaft teure Nerze, Chinchillas, Breitschwänze, Ozelots, Panther, Geparde und Kronenzobel, war Lora White. Eine große, schlanke, wohlgeformte Blondine mit einer körperlichen Ausstrahlung, die Burten geradezu raubtierhaft ansprang. Er war damals seit zwei Jahren Witwer, nachdem seine Frau in einem Anfall tiefster Depression dreißig Schlaftabletten geschluckt hatte, gegen die alle ärztliche Kunst vergeblich war. Und nun staunte er auf der Modenschau Lora White an und wußte, daß er sie kennenlernen mußte.
Das erste Abendessen mit Rosé-Champagner entwickelte sich zu einer Pleite. Lora war zugeknöpft wie ein Seemannsgummimantel, behandelte den mittelgroßen, etwas dicklichen Millionär höflich, aber herablassend und nahm eine Einladung zum Golfen nur
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