Der verkaufte Tod
Blankoschecks, fuhr einen Porsche, füllte einen eigenen Tresor mit dem Schmuck weltberühmter Juweliere, war Burten sogar treu, hatte keinen heimlichen jüngeren Lover, weder Tennis- noch Golflehrer wie ihre Freundinnen, deren Übungsstunden immer länger dauerten. Lora hatte alles, was eine Frau zutiefst zufrieden macht, nur eins war ihr bisher nicht gelungen: Frau Lora Burten zu werden. Heiraten war für Burten kein Thema.
Das verwunderte um so mehr, als er keine Erben hatte. Lora war klug genug, nicht auf eine Ehe zu drängen, und hoffte, daß Eds Testament sie sowieso zur Alleinerbin bestimmen werde. Daß sie Burten überleben würde, war bei dreißig Jahren Altersunterschied abzusehen, wenn man von möglichen äußeren Einwirkungen wie Unfällen absah. Auf gar keinen Fall hatte Lora die Absicht, wie Evelyn zu Schlaftabletten zu greifen. Warum die erste Frau das getan hatte, war auch Lora ein Rätsel – Ed war ein höflicher, großzügiger Mensch, und auch seine Mannbarkeit war mit fast dreiundsechzig Jahren noch zufriedenstellend.
Lora.
Burten seufzte, blickte auf seinen rechten, verbundenen Arm und die Pflaster, unter denen die Schläuche für Arterie und Vene zum Dialysator führten.
Schwester Lauren, die sein Seufzen gehört hatte, war sofort bei ihm und beugte sich über ihn. Ein Blick auf das Gerät zeigte ihr: Alles in Ordnung. Die Hämodialyse lief völlig normal. »Haben Sie Schmerzen?« fragte sie vorsorglich. »Spüren Sie etwas?«
»Nein. Warum?«
»Sie haben so tief geseufzt.«
»Das war ein ganz privater Seufzer, Schwester.« Burten lächelte etwas verlegen. »Man hat ab und zu solche Momente.« Er betrachtete Schwester Lauren jetzt genauer. Dr. Henderson hatte recht – sie verlockte jeden Mann, irgend etwas von ihr anzugreifen. Genau wie Lora. Auch sie strahlte die stumme Aufforderung aus: Tu etwas. Bisher war er sich sicher gewesen, die treueste Gefährtin zu haben. Was aber würde werden, wenn er nun als alter, unheilbarer Mann, der nur durch eine Maschine noch lebte, zurückkehrte und das bisher herrliche, freie Leben vorbei war? Machte Lora das mit? Sie war jetzt dreiunddreißig Jahre jung, ein Alter, in dem eine Frau voll erblüht war und Sehnsüchte sammelte und ihrer Leidenschaft zum Futter vorwarf. Mit dreiunddreißig Jahren auf viel Schönes zu verzichten und dafür einen vergreisenden Mann zu pflegen, der ihr nichts mehr zu bieten hatte, was ihr Körper an Sex forderte – konnte man das von einer Frau verlangen? »Haben Sie einen Freund?« fragte er Schwester Lauren.
»Ja.« Ihr Blick wurde lauernd. So fangen sie meistens an, und dann begrapschen sie einen. Burten schien also auch nicht anders zu sein. »Er ist in der Boxstaffel der Universität. Mittelgewichtsmeister.« Das war zwar eine Lüge, aber manche Männer schreckte das doch ab.
»Wieviel älter als Sie ist er?« fragte Burten weiter.
»Fünf Jahre.«
»Könnten Sie sich vorstellen, mit einem Mann zusammenzuleben, der dreißig Jahre älter ist als Sie?«
»Schwer.« Schwester Lauren sah Burten verblüfft an. Sollte das ein Antrag sein, nach einer Stunde Bekanntschaft? Sie mußte innerlich über diesen Unsinn lachen. »Ein Mann, älter als mein Vater – ich glaube nicht. Es müßte dann schon eine ganz große, wahnsinnige Liebe sein, wo Alter keine Rolle mehr spielt. Aber das gibt es so selten.«
»Man sieht oft ältere Männer mit attraktiven jungen Frauen, Lauren.«
»Ja, aber ob das Liebe ist?« Schwester Lauren schüttelte den Kopf. »Meistens lieben diese Frauen das Bankkonto oder die Berufschancen. Hollywood ist voll von solchen Mädchen. Sie tun alles, um Karriere zu machen oder sorglos im Reichtum zu leben. Ich mag solche Frauen nicht. Sie sind wie Parasiten.«
Parasiten – das Wort sprang Burten an wie ein Raubtier. Ist Lora auch nur ein Parasit? Lebt sie sechs Jahre mit mir zusammen, weil ich ihr alles bieten kann, was sie sich wünscht? Ist sie eine Schmarotzerpflanze, die sich um mich schlingt und mich langsam erwürgt? Ist ihre Liebe nur kalte Berechnung? Verkauft sie sich an mich um den Preis ihres Körpers und den Glamour, der sie umgibt?
»Warum fragen Sie, Mr. Burten?« riß Schwester Laurens helle Stimme ihn aus seinen quälenden Gedanken.
»Ich liebe eine Frau, die dreißig Jahre jünger ist als ich.«
»Dann müssen Sie ein glücklicher Mann sein.«
»Lora weiß noch nichts von meiner Krankheit. Sie denkt, es sei ein Virus. Wie wird sie reagieren, wenn sie erfährt, daß ich ohne
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