Der verkaufte Tod
Alipur?«
Mr. Alipur … Tawan sah Dr. Kasba dankbar an. »Nein!« antwortete er.
»Das ist ein Blutpfropfen, Thrombus genannt, der die Adern verstopft. Von den Beckenvenen wandert er zur Lungenarterie und ruft eine Lungenembolie hervor. In Ihrem Fall besteht die Gefahr einer Venenthrombose. Nach Operationen tritt sie erfahrungsgemäß zwischen dem dritten und achten Tag auf – heute ist der fünfte Tag, also raus aus dem Bett! Herumliegen ist der beste Nährboden für eine Thrombose.«
Er half Tawan aus dem Bett, stützte ihn bei den ersten, unsicheren, schwankenden Schritten und ließ ihn dann los. Tappend lief Tawan durch das Zimmer, vom Fenster zur Tür und von der Tür zum Fenster.
Durch die Sonnenstrahlen tanzten die Staubflocken; Dr. Kasba sah es mit Mißfallen und kräuselte die Stirn. Ein Mann aus den Slums, für ihn ist dieses Loch von Zimmer gut genug. Bitterkeit stieg in ihm hoch, er erinnerte sich an seine eigene Jugend und ballte die Fäuste. »Ich werde Sie in ein anderes Zimmer verlegen lassen«, sagte er gepreßt.
»Warum? Es ist doch ein gutes Bett.« Tawan ging wieder hin und her. Das Schwanken ließ etwas nach, er spürte, wie Kraft in seine Muskeln kam. »Jetzt, wo ich wieder herumlaufen kann –«
»Es geht um das Prinzip, Mr. Alipur. Aber das kann ich Ihnen jetzt nicht erklären. Sie ziehen noch heute um.«
Tawan blieb stehen. Sein Blick traf auf Dr. Kasbas Blick. »Ich weiß, was Sie meinen«, sagte er. »Ich bin ein Mensch der untersten Klasse, und so behandelt man mich auch. Aber ich beschwere mich ja gar nicht. Ich liege in einem richtigen Bett, das ist schon viel wert.«
»Sie sind ein Patient wie jeder andere hier im Haus. Auf dem OP-Tisch gibt es keine Klassen mehr – das ist meine Ansicht.«
»Sie kommen auch aus den Slums, Herr Doktor?« fragte Tawan vorsichtig.
»Wer hat Ihnen das gesagt?«
»Ein Pfleger. Sie werden von vielen verehrt. Man sagt von Ihnen, Sie seien ein hervorragender Arzt.«
»So? Sagt man das?« Dr. Kasba wedelte mit der rechten Hand. »Weiterlaufen! Laufen, bis Sie merken, es geht nicht mehr. Denken Sie daran: In Ihren Venen kann eine Zeitbombe ticken!« Er wandte sich der Tür zu. »Ich komme in ein paar Minuten wieder und will Sie dann noch immer wandern sehen. Ich kümmere mich um ein anderes Zimmer.«
Nach ungefähr einer Viertelstunde kam Dr. Kasba zurück. Gehorsam war Tawan hin- und hergelaufen, auch wenn es ihm immer schwerer wurde und sich Blei in seinen Beinen, vor allem in den Waden, zu bilden schien. Als die Tür klappte, lehnte er sich erschöpft gegen die abblätternde Wand.
»Sie können in einer Stunde umziehen, Mr. Alipur«, sagte Dr. Kasba. Seine Stimme klang belegt, in den Tönen zitterte noch immer Erregung. Es hatte einen kurzen, aber heftigen Kampf mit dem Oberpfleger, der Stationsschwester und dem Stationsarzt gegeben. Sie hatten sich geweigert, Tawan ein Bett in einem der schönen Zimmer zur Verfügung zu stellen, obwohl drei Zimmer leer standen und in den nächsten vier Tagen nicht belegt würden.
»Ich rolle Mr. Alipur eigenhändig in Zimmer 28 und bleibe neben ihm stehen, bis ich den Chef gesprochen habe!« hatte Dr. Kasba gebrüllt. »Woher Mr. Alipur auch kommt, er ist ein Mensch!«
Der Stationsarzt war daraufhin verschwunden und rief vom Arztzimmer aus Oberarzt Dr. Jaipur an. »Kasba spielt wieder verrückt!« rief er ins Telefon. »Ich weiß nicht, ob er wieder besoffen ist, aber er benimmt sich so. Er will das Zimmer 28 für die Niere haben.«
»Für den Spender?« Dr. Jaipurs Stimme hob sich etwas. »Was denkt sich Kasba dabei?«
»Er sagt, der Gossenschläfer sei ein Mensch.«
»Wen wundert's? Slumgerüche ziehen einander an. Ich werde den Chef verständigen. Wenn das so weitergeht, ist Kasba für unsere Klinik nicht mehr tragbar.«
»Was soll ich tun?« Der Stationsarzt verbarg nicht seine Hilflosigkeit. »Wie soll ich mich verhalten, Herr Oberarzt?«
»Tun Sie gar nichts. Lassen Sie Dr. Kasba gewähren.«
»Dieser Tawan Alipur bezieht also Zimmer 28?«
»Vorläufig. Bis der Chef entschieden hat.«
»Das Pflegepersonal wird sich weigern, diesen Mann zu versorgen.«
»Das wird Kasbas Problem werden. Er weiß, was ein Zimmer kostet – er wird es bezahlen müssen.«
»Und wenn er es bezahlt?«
»Dann haben wir den Beweis, daß er unzurechnungsfähig ist. Ein geschäftsunfähiger Alkoholiker.«
Unzufrieden mit der Entscheidung, legte der Stationsarzt auf. Als er zu Zimmer 28 zurückkam, lag Tawan bereits
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