Der verkaufte Tod
des Leichenschauhauses zusammengebrochen. Burten hatte geschwiegen, Baldwin noch einmal angeblickt und war dann gegangen. In ihm aber hatte sich eine Kälte ausgebreitet, die ihn fast lähmte. Jeder Schritt war ein Kampf gegen die Vereisung seiner Knochen gewesen, so war es ihm vorgekommen.
Nicht anders würde es bei Dr. Banda sein, wenn er seine Hand berührte. Burten wußte das und nahm sich vor, den Abschied so weit wie möglich abzukürzen. »Gehen wir ins Haus«, sagte er. »Ich will anfangen, meine Koffer zu packen.«
»Jetzt schon? Sie fliegen doch erst morgen abend.«
»Du kennst mein Programm für morgen. Da bleibt wenig Zeit.«
»Ich werde Ihnen beim Kofferpacken helfen, Sir.«
»Dann macht es mir besonderen Spaß. Myriam, trotz Lora werde ich dich vermissen.«
»Ich Sie auch, Sir.«
»Verdammt! Ist das eine Liebeserklärung?« Burten blieb ruckartig stehen. »Myriam –«
»Nein, Sir. Ich bin verlobt. Aber Sie waren ein geduldiger, angenehmer Patient. Sie haben sich nie beschwert. Und wir haben viel miteinander gelacht.«
»Gibt es weniger angenehme Patienten?«
»O Gott!« Schwester Myriam winkte ab. »Es gibt Patienten, die meinen, ihr Geld habe sie auf den Thron eines Halbgottes erhoben. Sie beschweren sich nur, aus Prinzip: Die Suppe ist zu kalt, die Suppe ist zu warm, das Gemüse ist zu wenig gesalzen, das Gemüse ist versalzen, das Fleisch ist zu trocken, ist zu fett, ist zu hart, ist zu weich, das Bett knarrt, das Vogelgezwitscher morgens stört den Schlaf, der Springbrunnen plätschert zu laut. Alles ist nicht richtig, und wir müssen nicken und sagen: ›Wir stellen es ab, Sir! Wir sagen der Küche Bescheid, Madame. Wir werden es nachprüfen, Sir.‹«
»Und das laßt ihr euch gefallen?«
»Die Patienten zahlen gut …«
»Ich würde ihnen bei Gelegenheit eine Spritze in den Hintern jagen, daß sie aufjubeln.«
»Das würde die sofortige Entlassung bedeuten.«
»Wunderbar! Myriam, ich engagiere dich nach New York! Ich mache dich zur Leiterin des Erholungsheims der ›Edward-Burten-Stiftung‹.«
»Und mein Verlobter?«
»Für den finden wir in meinen Betrieben bestimmt eine gute Stellung. Was macht er denn?«
»Er studiert. Sprachen und Ökonomie.«
»Der richtige Mann für mich! Myriam, überlege es dir. Ich hole dich sofort nach New York.«
Burten und Schwester Myriam gingen untergehakt ins Haus.
Tawan wischte sich über das Gesicht. »Es hat mich komisch berührt, meine Niere spazieren gehen zu sehen.«
»Du hast das Glück gehabt, deine Niere noch zu sehen«, sagte Dr. Kasba sarkastisch. »Ein Herzspender kann das nicht.«
»Sie verpflanzen auch Herzen?« fragte Tawan und dachte dabei an das Gespräch, das er mit Chandra Kashi geführt hatte. »Sie kennen das Labor von Chandra?«
Dr. Kasba zögerte deutlich. Dann antwortete er knapp: »Ja.«
»Ich habe mit Kashi einen mündlichen Vertrag geschlossen.«
Dr. Kasba sah Tawan mit einem fast mitleidigen Blick an. Als Tawan schwieg, fragte er: »Du hast ihm mehr verkauft als deine Niere?«
»Noch nicht.« Tawan ging wieder zum Fenster. Der Park war leer, in die Fontäne des Springbrunnens zauberte die Sonne bunte Sterne. »Gilt ein mündlicher Vertrag?«
»Ein schriftlicher wäre besser.«
»Kashi möchte, daß ich ihm nach meinem Tod meinen ganzen Körper zur Verfügung stelle. Er kann alles gebrauchen, sagte er.«
»Das stimmt, Tawan.« Dr. Kasba trat zu ihm ans Fenster. »Ein toter Mensch ist heute ein wertvolles Ersatzteillager. Das Herz, die Leber, die Lunge, die Milz, deine zweite Niere, deine Knochen, dein Knochenmark, deine Bauchspeicheldrüse, alles kann man verwerten und transplantieren. Dr. Banda macht alles, er traut sich an die gewagtesten Operationen. Nur erfährt es niemand. Wenn eine chirurgische Sensation in den Zeitungen steht, Dr. Banda hat sie längst in aller Stille praktiziert. Er ist wirklich ein Genie. Aber –« Dr. Kasba überlegte. Wie sage ich es ihm, ohne daß er in Panik gerät? Soll ich grausam ehrlich sein, oder soll ich nur andeuten? »Ich gebe dir wieder einen Rat, Tawan. Paß auf dich auf. Ein Unfall ist schnell geschehen, und du bist auch schnell in ein Auto gezerrt, und man sieht dich nie wieder.«
»Ich habe davon gehört, Doktor.« Tawan sah Dr. Kasba forschend an. »Ich weiß, daß man kräftige, gesunde Menschen jagt, um sie auf Bestellung auszuschlachten. Es soll in den Zeitungen gestanden haben. Auch Kinder sind verschwunden. Aber so etwas tut Kashi doch nicht. Er ist ein
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